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Hommel, Hildebrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1986, 5. Abhandlung): Symmetrie im Spiegel der Antike: vorgetragen am 7. Juni 1986 — Heidelberg: Winter, 1987

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https://doi.org/10.11588/diglit.48148#0027
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Symmetrie im Spiegel der Antike

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sind wohl beide dahin zu korrigieren, daß „für die Griechen räumliche
und zeitliche Vorstellungen offenbar von Anfang an ineinander über-
gehen“39. So kann Xenophon noch zu einer Zeit, wo rhythmos vorwie-
gend als Zeitmaß verstanden wird, von einem rhythmos = ‘Wohlgefüge
kunstvoll gearbeiteter Harnische’ sprechen, ohne daß wir darin sekun-
där eine geistreiche Metapher erblicken dürfen40. Bei Isokrates, dem
Zeitgenossen Platons, finden wir dann auch kairos einfach synonym
mit symmetria gebraucht41, wobei räumliche und zeitliche Kategorien
ineinanderfließen, indem der Redner sich selber daran erinnert, nicht
zu ausführlich zu werden, also nicht zu lang zu reden, oder bei der
beabsichtigten Veröffentlichung der Rede nicht zu viel Raum zu ver-
schwenden. Ganz ähnlich gebrauchen ja auch wir noch, ohne uns viel
dabei zu denken, entsprechende Wörter und Begriffe in einem Atem
in ihren beiden Funktionen, wenn wir ein Buch etwa ‘unendlich lang’
finden, da sein überzogenes räumliches Maß uns zugleich beim Lesen
übermäßig viel Zeit kostet.
Überall werden, das wollen wir festhalten, im Griechischen sym-
metria, harmonia, rhythmos und kairos so gut wie synonym gebraucht,
höchstens jeweils in Nuancen voneinander unterschieden. Und so gut
wie stets bezeichnen diese Wörter eine angemessene Proportion
irgendwelcher Art, ohne daß wir dabei an eine im Begriff eingeengte
spiegelbildliche Symmetrie denken dürfen. Dabei hat es natürlich
diese Erscheinung ja auch im Griechischen durchaus und zu allen Zei-
ten gegeben42, wenn sie im Lauf der Kunstentwicklung auch mehr und
mehr durch Abweichungen korrigiert worden ist. Erst bei uns und in
neuerer Zeit hat man diese Nuance auch terminologisch zu fassen ver-
sucht, indem man erstaunlicherweise, aber historisch ganz richtig gese-
hen, vielfach doch den alten griechischen, also den weiteren Symme-

39 H. Hommel, aO. 17.
40 H. Hommel, aO. 17f. im Blick aufXenophon, Memorabilien III 10,10. Dazu auch
B. Schweitzer aO., 119, Anm. 25. Zum rhythmos s. a. oben Anm. 35.
41 Isokrates, Panathenaikos 33 im Vergleich zu Helene 29f. (Pfister aO., 1936, 93),
rein räumlich dagegen wiederum bei Xenophon, Gastmahl 2,19, wo einer sagt, er
wolle seinen Bauch (gastera) der dicker sei, als der kairos erlaubt, auf ein gesün-
deres Maß (metrioteräii) zurückfuhren.
42 Ein Teilgebiet (hauptsächlich die frühgriechische Vasenmalerei) ist mustergültig
aufgearbeitet in dem aus einer Tübinger Dissertation (1956) erwachsenen Buch
aus der Schule von Bernh. Schweitzer: Ingeborg Scheibler, Die symmetrische
Bildform ... 1960. Als die Wurzel der strengen antithetischen Komposition wird
hier auf den Spuren Früherer (Al. Riegl und L. Curtius) die sumerische Flächen-
kunst angenommen (S. 8 u. ö.).
 
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