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Hommel, Hildebrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1986, 5. Abhandlung): Symmetrie im Spiegel der Antike: vorgetragen am 7. Juni 1986 — Heidelberg: Winter, 1987

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https://doi.org/10.11588/diglit.48148#0042
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Hildebrecht Hommel

schaftlichen Jargon demgemäß auch die Bezeichnung Strophe und
Antistrophe des Chorlieds. Der Philologe macht sich solche Schemata
graphisch durch Längen- und Kürzenzeichen in bestimmter Abfolge
klar (Abb. 11), wobei die einzelnen Partien dem Vorbild entsprechend
streng in gleichartig wiederkehrende Gebilde unterteilt sind. Der Blick
auf ein solches Schema lehrt, daß zwar im allgemeinen diese Symme-
trie streng durchgeführt ist, daß aber doch da und dort kleine Abände-
rungen angebracht werden, die den Aufbau im ganzen nicht stören,
vielmehr eher vor Erstarrung schützen573; man pflegt dies Respon-
sionsfreiheiten zu nennen. Das von mir einst für Seminarübungen auf-
gezeichnete Schema eines Chorlieds aus dem ‘Prometheus’ des
Aischylos mag dies veranschaulichen. Da finden sich im ersten Teil
dieser jeweils streng symmetrisch aufgebauten Choreographie in je 10
Verszeilen ganze drei Abweichungen (statt Jambus u - u - plus Ioni-
cus u u - - nun vielmehr Baccheus u -- plus Choriambus -u u-
und ein paar weitere ähnlich geringfügige Varianten); im zweiten Teil
desselben Liedes ist gar bloß eine solche Diskrepanz zu vermerken
(statt eines Choriambus - u - die leicht verkürzte Form u u u
was einem Baccheus u — oder Creticus - u - mit Auflösung der
einen Länge in zwei Kürzen entspricht). Sonst herrscht durchwegs
volle Responsion bis in alle Einzelheiten. Strophe und Antistrophe in
den Chorliedern des attischen Dramas bieten also wohl eines der
erstaunlichsten Symmetrie-Phänomene in der klassischen Antike
überhaupt, wie man ohne Übertreibung wird sagen dürfen. Daß solche
Feststellungen, wie ich sie hier treffe, höchstens als Prolegomena zur
Interpretation attischer Chorlieder zu werten sind, und daß deren
künstlerischer Gehalt sich darin bei weitem nicht erschöpft, ist wohl
selbstverständlich. Aber eine volle Interpretation steht ja hier nicht auf
dem Programm. Zunächst noch einmal kurz zurück zum metrischen
Schema.
strophe zu festen antiken Termini für ‘symmetrisch’ und ‘Symmetrie’ (im heutigen
Sinne) geworden. Vielmehr bezeichnet z. B. gerade das Adjektiv antistrophos in
zahlreichen Belegen wiederum die ‘Korrelation’, also die ‘Symmetrie’ nach anti-
kem Verstände (wie K. Gaiser betont). - Strophe und Antistrophe, denen vielfach
als Nachspiel eine (unsymmetrisch gebildete) ‘Epode’ folgt, haben ihre Entspre-
chung in den beiden ‘Stollen’ mit ‘Abgesang’ der mittelalterlichen Dichtung.
57a Eine frappante Parallele findet sich in zahlreichen Äußerungen der sonst so streng
der Symmetrie verpflichteten ägyptischen Kunst. Darüber handelt aufschlußreich
Sylvia Schoske, Symmetrophobia - Symmetrie und Aymmetrie in der altägypti-
schen Kunst. In: Symmetrie I 1986, S. 152-156.
 
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