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Wolf, Joseph Georg; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1988, 2. Abhandlung): Das Senatusconsultum Silanianum und die Senatsrede des C. Cassius Longinus aus dem Jahre 61 n. Chr.: vorgetragen am 17. Jan. 1987 — Heidelberg: Winter, 1988

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https://doi.org/10.11588/diglit.48153#0047
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Das Senatusconsultum Silanianum

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hat keine individuelle Note, keinen persönlichen Einschlag.178 Jeder im
Senat, der von der Wirksamkeit und der Notwendigkeit des Silanianum
überzeugt war, und den die Zahl der Opfer nicht schreckte, hätte sie
halten können.179 Auch diese Befunde sprechen eher für eine literari-
sche Bearbeitung.
Kontext und Rede bilden eine von Tacitus konzipierte Einheit. Dazu
paßt, daß die Darstellung der Tatmotive im Kontext und ihre Behand-
lung in der Rede aufeinander abgestimmt sind180; und dazu paßt auch,
daß das Silanianum im Kontext wie in der Rede als mos antiquus
bezeichnet wird.181 Den Lapsus in der argumentatio, wo Cassius das
Gegenteil von dem sagt, was er durch seine Fragen suggerieren will,
müssen wir endgültig dem Historiker zuschreiben; vermutlich ist er
eine raffinierte Montage.182
Was hat Tacitus aus seiner Vorlage übernommen? Das prooemium
wirkte schon auf den ersten Blick wie die überspitzte Zeichnung eines
konservativen Römers.183 So hat Tacitus den Juristen auch wirklich
gesehen: wo er Cassius zum ersten Mal erwähnt, stellt er ihn schon als
einen Mann des mos antiquus vor.184 In unserer Rede läßt er es ihn
selbst sagen.18i Das prooemium ist rein taciteisch.
Und von Tacitus stammt wohl auch die absolute Unerbittlichkeit,
mit der Cassius spricht. ‘Unerbittliche Härte’, severitas, war für ihn der
wesentliche Charakterzug des Juristen.186

178 Koestermann „spürt“ bei 14.44.1 allerdings, „daß Tacitus einen Juristen von
besonderem Rang sprechen läßt“.
179 Bei der Claudiusrede (ann. 11.24) beobachtet Vittinghoff (A. 167) 369, „daß sie
jeden persönlichen und situationsbedingten Bezug der Originalrede bewußt mei-
det“. „Nichts erinnert mehr an Claudius ..„eine Kaiserrede, aber keine Rede
des Claudius, farblos, unpersönlich ..Syme I 319: „Instead of Claudius a deper-
sonalized imperator must speak for Rome.“ Und v. Albrecht (A. 170) zieht fol-
genden Vergleich: „Der sprachliche Grundcharakter der Claudiusrede ist trotz gele-
gentlicher Preziosität im ganzen konventionell, der Gedankengang aber individuell.
Bei Tacitus ist in gewisser Weise das Umgekehrte der Fall: Gedanklich sucht er das
Typische, in Worten aber ... das Außergewöhnliche ...“
180 Siehe o. nach A. 93.
181 Siehe o. nach A. 63.
182 Siehe o. bei A. 88. Bei einem so durchdachten und ausgefeilten Text ist kaum
denkbar, daß ein solcher Fehler unterläuft.
183 Siehe o. nach A. 62.
184 Siehe o. A. 31. Vgl. Syme I 355.
185 Siehe o. nach A. 56, zusammenfassend nach A. 75.
186 Von seinem Bruder L. Cassius (siehe o. A. 34) sagt Tacitus ann. 6.15.1: severa patris
disciplina eductus. - Zum ‘Wertbegriff severitas Nörr (1983) 209 ff.
 
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