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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 3. Abhandlung): Der Begriff der Würde im antiken Rom und später: vorgetragen am 10. Mai 1969 — Heidelberg: Winter, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.48158#0015
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Der Begriff der Würde im antiken Rom

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(inv. 2,166): dignitas est alicuius honesta et cultu et honore et verecundia
digna auctoritas.
Der unlösbare Zusammenhang der aristokratisch geprägten dignitas
mit der res publica zeigt jedoch, daß der Machtanspruch, der sich in
diesem Begriff manifestiert, begrenzt ist. Zumindest der Idee nach
herrscht eine Art von Gleichgewicht zwischen dem Anspruch des Ein-
zelnen und dem Anspruch des Ganzen. Die Würde des Einzelnen findet
ihre Grenze an der Freiheit der anderen: Valerius haud minus libertatis
alienae quam suae dignitatis memor (Liv. 7,33,3). Der Anspruch, der in
der dignitas liegt, ist von der Verpflichtung nicht zu trennen. Bald wird
mehr das eine, bald das andere hervorgehoben. Dignitas verpflichtet,
und je höher die Stufe ist, die man erreicht hat, desto größer ist die
Verpflichtung. Man muß ständig darauf achten, das, was man seiner
Würde schuldet, nicht zu verabsäumen (deesse dignitati suae Cic. Phil.
1,15).
Der Grad der dignitas bemißt sich aber nicht nur nach dem Herkom-
men oder dem Amt, das man bekleidet oder bekleidet hat, sondern vor
allem nach der individuellen politischen Leistung14 und auch der morali-
schen Integrität. Im römischen Rechtswesen spielt letzteres eine
erstaunlich große Rolle.15 So hätte Gellius (Noct. Att. 14,2) als Richter
die Klage eines Ehrenmannes gegen einen notorischen Schurken abwei-
sen müssen, weil er für das an den Schurken gezahlte Geld weder einen
schriftlichen Beleg noch einen Zeugen vorweisen konnte. Aber er
brachte es nicht über sich und urteilte non liquet. Der Philosoph Favori-
nus, dessen Urteil er über das Problem einholte, verwies ihn auf die
Rede des alten Cato Pro L. Turio contra Cn. Gellium·. Wenn ein Prozeß
zwischen zwei Parteien laufe, wobei der Sachverhalt weder schriftlich
noch durch Zeugen geklärt werden könne, solle bei dem Richter, der
darüber zu entscheiden habe, untersucht werden, wer von beiden der
bessere Mann sei.16
Entscheidend ist jedenfalls die politische Leistung. Liegt sie vor, dann
14 Vgl. Cato: iure lege libertate re publica communiter uti oportet: gloria atque honore quo-
modo sibi quisque struxit (ORF2 p. 96, nr. 252 Malcovati).
15 Zur Rolle der Gesamtpersönlichkeit im römischen Rechtswesen vgl. D. Nörr 415 ff und
Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 7. Kapitel (Rechtssoziologie), §5. Über
moralische Integrität als Voraussetzung von dignitas vgl. die unten (S. 23) zitierte
Bemerkung von Scipio Aemilianus.
16 Gellius, Noctes Atticae 14,2,21: (Cato) ita esse a maioribus traditum observatumque ait,
ut si, quod inter duos actum est, neque tabulis neque testibus planum fieri possit, tum apud
iudicem, qui de ea re cognosceret, uter ex his uir melior esset, quaereretur. . .
 
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