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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 3. Abhandlung): Der Begriff der Würde im antiken Rom und später: vorgetragen am 10. Mai 1969 — Heidelberg: Winter, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.48158#0058
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Viktor Pöschl

pflichtung für den Einzelnen abgeleitet, wie im Christentum, in der pla-
tonisch-stoischen Philosophie und in der italienischen Renaissance, als
vielmehr den Anspruch des Einzelnen an die Gesamtheit. Durch das
Grundgesetz wird die Menschenwürde einklagbar. Der Mensch und
seine Würde stehen über dem Staat. Im Herrenchiemseer Entwurf zu
Art. 1 des Grundgesetzes hieß es noch ausdrücklich: „Der Staat ist um
des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen.“ Die
Superiorität des Menschen ist hier der Gedanke, der bereits in der Bill of
Rights von 1776 und in der französischen Erklärung der Menschenrechte
von 1789 seinen Niederschlag fand. In beiden Texten freilich taucht der
Begriff der Menschenwürde als solcher nicht auf. Die entsprechenden
Verfassungen beginnen vielmehr mit der Hervorhebung der Gleichheit
aller Menschen und der Freiheit, die für alle gewährleistet sein muß. Die
früheste Verfassung, die ausdrücklich von der Würde der Person
spricht, ist die irische Verfassung des Jahres 1937. Der Text lautet:122 In
the name of the Most Holy Trinity, from Whom is all authority and to
Whom, as our final end, all actions both ofmen and States must be refer-
red, We, the people of Eire . . . seeking to promote the common good,
with due observance of Prudence, Justice and Charity, so that the dignity
and freedom ofthe individual may be assured, true social order attained,
the unity of our country restored, and concord established with other
nations, Do hereby adopt, enact, and give to ourselves this Constitution.
Der Wortlaut der Präambel bezeugt, daß es die christliche Menschen-
würde ist, die zur Grundlage der irischen Verfassung gemacht wird.
1945 erschien dann die Charter ofthe United Nations, die mit den Wor-
ten beginnt: We. . . determined To save succeeding generations from the
scourge of war, which twice in our lifetime has brought untold sorrow to
mankind, and To reaffirm faith in fundamental human rights, in the
dignity and worth of the human person, in the equal rights of men and
women and of nations large and small. . .
In der Pariser Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom Jahre
1948 heißt es: Tous les etres humains naissent libres et egaux en dignite et
en droits.
Es folgte das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vom 23.
Mai 1949 und weitere Verfassungen, die die Menschenwürde beinhal-
ten.123 Die politischen, gesellschaftlichen und juristischen Folgerungen,
122 In: A Source Book of Irish Government, ed. B. Chubb, Dublin 1964, 20.
123 Verfassung des Landes Baden-Württemberg (vom 19. November 1953), „Vorspruch“:
„Im Bewußtsein der Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen
beseelt, die Freiheit und Würde des Menschen zu sichern . . .“
 
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