Der Obelisk auf dem Petersplatz in Rom 93
und P. A. Riedl.214 In der zwischen 1140 und 1143 von Benedictus, Ka-
noniker von St. Peter in Rom, verfaßten Schrift Mirabilia urbis Romae
lesen wir über den Vatikan-Obelisken folgenden Bericht:21'1 Ibique
[beim Vatikan] est aliud templum . .., quod nunc vocatur Sanctus An-
dreas. luxta quod est memoria [= Grabdenkmal] Caesaris, id est agulia
[Obelisk], ubi splendide cinis eius in suo sarcophago requiescit; ut, sicut
eo vivente totus mundus ei sublectus fuit, ita eo mortuo usque in finem
saeculi subicietur. Cuius memoria [= Grabdenkmal, d.h. der Obelisk]
inferius ornata fuit tabulis aereis et deauratis, litteris Latinis decenter de-
picta. Superius vero ad malum, ubi requiescit, auro et pretiosis lapidibus
decoratur. Ubi scriptum est:
Caesar, tantus eras quantus et orbis,
Sed nunc in modico clauderis antro.
W. Henzen hat diesen ganzen Bericht As fabula bezeichnet.216 Abge-
sehen von den Ungenauigkeiten bei der Beschreibung der Spitze des
Obelisken (die nie mit Edelsteinen geschmückt gewesen sein kann) er-
wecken die Hinweise auf die Inschriften des Monuments tatsächlich ei-
nen verdächtigen Eindruck. Was man auf dem Obelisken angeblich „un-
ten“ auf den „Erztafeln“ lesen konnte, verrät der Verfasser zunächst
nicht; er präsentiert die angebliche lateinische Übersetzung eines angeb-
lich in griechischer Sprache verfaßten, nichtssagenden Distichons, das
sich „unten“ (inferius) befunden haben soll, erst im Anschluß an den
zitierten Berichtsabschnitt; „oben“, d.h. auf der Spitze des Obelisken
mit der vergoldeten Kugel (ad malum), gab es vor der 1586 dort einge-
meißelten Inschrift217 schwerlich je einen Text. Es wäre jedoch nicht
undenkbar, daß in der Erzählung insofern ein wahrer Kern steckt, als
auf dem Obelisken „unten“, d.h. ungefähr in der damaligen Augen-
höhe, durchaus eine Bronzetafel angebracht gewesen sein kann, welche
214 Die Idee, daß die Beschädigungen von der Anbringung der angeblichen Grabinschrift
für Caesar herrühren, stammt von A. Borst, der Gedanke, daß D. Fontana die beschä-
digten Stellen nachträglich glätten ließ, von P. A. Riedl. A. Borst verdanke ich auch
den Hinweis auf die in Anm. 215 angeführte Literatur.
215 Mirabilia c. 19, Text nach R. Valentini - G. Zucchetti, Codice Topografico della Cittä
di Roma, Vol. Terzo (Roma 1946) 43f.; z.T. leicht abweichend P. E. Schramm, Kaiser,
Rom und Renovatio (Leipzig 1929) II 80. Zur Frage des Verfassers siehe R. Bloch,
Deutsches Archiv f. Erforsch, d. Mittelalters 40, 1984, 55ff.
216 Kommentar zu CIL VI 882.
217 E. Iversen, Obelisks in Exile I 39 mit Fig. 5.
und P. A. Riedl.214 In der zwischen 1140 und 1143 von Benedictus, Ka-
noniker von St. Peter in Rom, verfaßten Schrift Mirabilia urbis Romae
lesen wir über den Vatikan-Obelisken folgenden Bericht:21'1 Ibique
[beim Vatikan] est aliud templum . .., quod nunc vocatur Sanctus An-
dreas. luxta quod est memoria [= Grabdenkmal] Caesaris, id est agulia
[Obelisk], ubi splendide cinis eius in suo sarcophago requiescit; ut, sicut
eo vivente totus mundus ei sublectus fuit, ita eo mortuo usque in finem
saeculi subicietur. Cuius memoria [= Grabdenkmal, d.h. der Obelisk]
inferius ornata fuit tabulis aereis et deauratis, litteris Latinis decenter de-
picta. Superius vero ad malum, ubi requiescit, auro et pretiosis lapidibus
decoratur. Ubi scriptum est:
Caesar, tantus eras quantus et orbis,
Sed nunc in modico clauderis antro.
W. Henzen hat diesen ganzen Bericht As fabula bezeichnet.216 Abge-
sehen von den Ungenauigkeiten bei der Beschreibung der Spitze des
Obelisken (die nie mit Edelsteinen geschmückt gewesen sein kann) er-
wecken die Hinweise auf die Inschriften des Monuments tatsächlich ei-
nen verdächtigen Eindruck. Was man auf dem Obelisken angeblich „un-
ten“ auf den „Erztafeln“ lesen konnte, verrät der Verfasser zunächst
nicht; er präsentiert die angebliche lateinische Übersetzung eines angeb-
lich in griechischer Sprache verfaßten, nichtssagenden Distichons, das
sich „unten“ (inferius) befunden haben soll, erst im Anschluß an den
zitierten Berichtsabschnitt; „oben“, d.h. auf der Spitze des Obelisken
mit der vergoldeten Kugel (ad malum), gab es vor der 1586 dort einge-
meißelten Inschrift217 schwerlich je einen Text. Es wäre jedoch nicht
undenkbar, daß in der Erzählung insofern ein wahrer Kern steckt, als
auf dem Obelisken „unten“, d.h. ungefähr in der damaligen Augen-
höhe, durchaus eine Bronzetafel angebracht gewesen sein kann, welche
214 Die Idee, daß die Beschädigungen von der Anbringung der angeblichen Grabinschrift
für Caesar herrühren, stammt von A. Borst, der Gedanke, daß D. Fontana die beschä-
digten Stellen nachträglich glätten ließ, von P. A. Riedl. A. Borst verdanke ich auch
den Hinweis auf die in Anm. 215 angeführte Literatur.
215 Mirabilia c. 19, Text nach R. Valentini - G. Zucchetti, Codice Topografico della Cittä
di Roma, Vol. Terzo (Roma 1946) 43f.; z.T. leicht abweichend P. E. Schramm, Kaiser,
Rom und Renovatio (Leipzig 1929) II 80. Zur Frage des Verfassers siehe R. Bloch,
Deutsches Archiv f. Erforsch, d. Mittelalters 40, 1984, 55ff.
216 Kommentar zu CIL VI 882.
217 E. Iversen, Obelisks in Exile I 39 mit Fig. 5.