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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1991, 2. Abhandlung): Ovids poetische Menschenwelt: die Metamorphosen als Metapher und Symphonie ; vorgetragen am 3. Juni 1989 — Heidelberg: Winter, 1991

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https://doi.org/10.11588/diglit.48162#0037
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Ovids poetische Menschenwelt

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tiv ist neu, was nicht heißt, daß die Sache historich neu wäre) Männer
und Frauen, Männer aus den vom Manne geworfenen Steinen, aus de-
nen der Frau Frauen (v. 412f.)· Erst von nun an wird Liebe thematisch-
musikalisch möglich; erst von Deucalion und Pyrrha an und ihren Stei-
nen gibt es den Menschen in der Varietät Mann und Frau und damit Ehe
und Liebe.40 Dieses Geschlecht ist hart („durum“) und mühsalkundig:
so zeigt es seinen Ursprung aus Stein (v. 414f.). Diesen von Vergil,
georg. 1,60-63 übernommenen Gedanken drückt Ovid in der Wir-Form
aus: „inde genus durum sumus [. . .]/ et documenta damus, qua simus
origine nati“: die Geschichten, die er erzählen wird, handeln von der
einen Menschheit, der auch der Erzähler und seine Leser angehören.
Die dreifache Variation der Wesensaussage über den Menschen in
Entstehungsgeschichten41 präludiert der Vielfalt der Gestalten des Ge-
danach „Saturnia regna“, bei Ovid die „aurea aetas“, die Zeit der Herrschaft Saturus
(vgl. met. l,113f.). Die Differenz im Rahmen von Übereinstimmungen (verschiedene
Schöpfungsmythologeme im Kontext gleicher ,Ereignisse') unterstreicht die nicht histo-
rische Erzählweise Ovids (und Vergils).
40 Ich könnte mich auf den Ovidleser Juvenal berufen, der sat. 1,84: „et maribus nudas
ostendit Pyrrha puellas“ sein Ovidverständnis durch ovidische Erotisierung pointiert. -
Ovids Verse „et superesse virum de tot modo milibus unum / et superesse videt de tot
modo milibus unam“ {met. 1,325 f.) demonstrieren geradezu, wie die (thematische) Ein-
führung von Mann und Frau (Deucalion und Pyrrha), also der ,erste Mann' und die
,erste Frau', die Männer und Frauen thematisch erst erschafft: ohne das Menschenpaar
wäre kein Anlaß gewesen, das Menschengeschlecht nach Tausenden von Männern und
von Frauen, die in der Flut umkamen, zu differenzieren.
41 Die drei Berichte der Menschenerschaffung bei Ovid aus verschiedenen Traditionen
machen verschiedene anthropologische Aussagen, nutzen dazu aber, sowohl in der Tra-
dition als auch bei Ovid, einen ähnlichen Bestand an Grundmotiven. Alle drei Schöp-
fungen gehen - wenn man innerhalb der Kosmogonie nur die zweite, die mythologische,
Variante berücksichtigt, den titanischen Töpfer - von der Erde aus, der Erde als Ele-
ment {met. 1,80 und 82: „tellus“; v. 364: „terra“) die erste, von Terra als Gigantenmutter
und Schöpferin die zweite, von den Knochen der großen Mutter Erde die dritte, was
gewissermaßen die Synthese von 1 und 2 darstellt (Element und Mutter; vgl. met.
2,272ff.: Auftritt der „alma Tellus“, der ,Mutter Erde', gestalthaft in der Phaethonge-
schichte). Die Gemeinsamkeiten gehen weiter. Prometheus formt den Menschen aus
Erde, die „seducta [. . .] nuper ab alto / aethere cognati retinebat semina caeli“ {met.
1,80f.). Das ist zunächst nichts weiter als eine Anspielung auf die Trennung der Ele-
mente in v. 22: „nam caelo terras [. ..] abscidit“ (sc. deus et melior natura), also Fortset-
zung des stoisierenden naturphilosophischen kosmogonischen Berichts. Aber wir sind
schon im Bereich eines Mythos, des Prometheusmythologems, und außerdem wird nicht
recht klar, wie es, naturphilosophisch gesprochen, zu Himmelssamen in der Erde kom-
men soll. Ich vermute, daß hier jene mythische Vorstellung hereinspielt, wonach ur-
sprünglich Uranos und Gaia einander begatteten (vgl. Hesiod, Theogonie 45. 106 und
133 ff.: Zeugunginsbes. der Titanen), bis sie getrennt wurden. Die Erde mit Hitnmelssa-
 
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