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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1991, 2. Abhandlung): Ovids poetische Menschenwelt: die Metamorphosen als Metapher und Symphonie ; vorgetragen am 3. Juni 1989 — Heidelberg: Winter, 1991

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https://doi.org/10.11588/diglit.48162#0085
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Ovids poetische Menschenwelt

83

§ 15 Otis’ Sektionen. Kritik
Brooks Otis, Ovid as an Epic Poet, Cambridge 1966, Kap. III: „The
Plan of Ovid’s Epic“ (S. 45-90), entdeckt gleichzeitig mit Ludwig9 „four
unmistakable divisions or sections“10 in den Metamorphosen, nämlich:
I. The Divine Comedy (met. 1,5-2,875); II. The Avenging Gods (met.
3,1-6,400); III. The Pathos of Love (met. 6,401-11,795); IV. Rome and
the Deified Ruler (met. 12,1-15,879). Diese thematische Werkeintei-
lung stützt Otis durch die These jeweiliger analoger Binnentektonik der
Sektionen ab, die als ein- oder zweigipflige Ringkompositionen be-
schrieben werden. Die Gliederung der Dichtung in vier Teile wird also
nicht nur inhaltlich und thematisch, sondern gerade auch mit den „ho-
mologous structures or plans of the separate parts“, der analogen „bal-
ance or symmetry“ in ihnen begründet.11
Das Aufbauschema steht bei Otis im Dienst seiner Hauptthese. Diese
besagt, die Metamorphosen seien als Dichtung der mißglückte Kompro-
miß zwischen einem ungeliebten augusteischen Eposplan und wahrer
ovidischer Liebesdichtung. Der augusteisch-epische Plan bestünde aus
der letzten Sektion (IV: met. 12-15) und den ,episch1 genannten Großge-
mälden davor, den ,central panels‘ der Abteilungen I-III.12 Von solchen
,panels‘ enthalte Teil I zwei: Schöpfung bis Sintflut; Phaethon, Teil II
eines: Perseus, Teil III wieder zwei: Meleager und Hercules. Diese
Stücke seien, als ihrem Gegenstand nach „most uncongenial“ für Ovid,
weitgehend mißlungen, ebenso der ganze vierte Teil.13
Diese Auffassung kann man nur als Vorurteil betrachten. Die sog.
epischen Stücke sind durchaus großartig (Kosmogonie, Menschen-
schöpfung, Sintflut, Phaethon, Apotheose des Hercules). Eine Kontra-
9 Datierung des Vorworts auf Mai 1965.
10 Otis (19702 = 19661), Ovid, S. 83.
11 Otis (19702 = 19661), Ovid, S. 83f.
12 Vgl. Otis (19702 = 19661), Ovid, bes. Preface, S.XIII („the Roman-Augustan finale
in Books XII-XV and the great epic ,panels‘ of the two [sic!] preceding ,sections' of
the poem“) sowie S. 280f. Es ist nicht erkennbar, ob Otis in seinem Vorwort die Ge-
mälde der zwei letzten seiner drei Sektionen meint, also Schöpfung bis Sintflut und
Phaethon nicht als augusteisch betrachten will, ob er sich einfach versehen hat oder
ob er hier schon die Dreiteilung seiner Retraktation vorwegnimmt (s.u.), wonach
dem Finale nurmehr zwei Sektionen (I und II zusammengefaßt zu einer Sektion) vor-
ausgehen.
13 Vgl. Otis (19702 = 19661), Ovid, bes. Preface, S.XIII und S. 159. 199. 281. 304f. (an
zwei Stellen jedoch schon zur Auffassung der Retraktation neigend; vgl. u.).
 
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