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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1991, 2. Abhandlung): Ovids poetische Menschenwelt: die Metamorphosen als Metapher und Symphonie ; vorgetragen am 3. Juni 1989 — Heidelberg: Winter, 1991

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https://doi.org/10.11588/diglit.48162#0106
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Ernst A. Schmidt

bestimmendes Thema in den Blick, das für eine längere Erzählzeit von
Apollos erster Liebe an dominante Thema.17
Nach der Verwandlung der Daphne suchen die Flüsse des Landes den
Vater des Mädchens auf, um - ja, sie wissen es nicht recht, ob sie ihm
gratulieren oder ihn trösten sollen: die ironische Einfühlung ist so ovi-
disch, daß sie geradezu von Thomas Mann sein könnte. Nur der Inachus
fehlt; seine Tochter Io ist verschwunden. Die nun folgende Geschichte
von Jupiters Liebe zu Io geht demnach der Daphneerzählung chronolo-
gisch voraus.18 Auch die Erzählung von Io ist eine Geschichte von Begeh-
ren und Flucht; doch nur über 13 bzw. 4 Verse hin (v. 588 bzw. 597 bis 600)
und mit dem Ziel: „tenuitque fugam rapuitque pudorem“ (v. 600). In die
lange logeschichte (met. 1,583-750) ist eine andere Liebesgeschichte ein-
gelegt (met. 1,689-712) als Erzählung Merkurs. Dieser hat den hundert-
äugigen Argus einzuschläfern, der im Auftrag der Juno die in eine Kuh
verwandelte Io bewacht. Zuerst spielt der Gott auf der Panflöte aus ver-
bundenen Schilfrohren und hat auch tatsächlich mit seinen erzählenden
Liedern, deren Thema wir nicht erfahren, schon einen Teil der Augendes
Argus zum Schlummer geschlossen. Auch den Rest mit Schlaf zu bedek-
ken, gelingt mitten in der Erzählung auf die Frage nach der neuen Erfin-
dung der Syrinx. Die arkadische Nymphe Syrinx verehrt durch gleiche
Tätigkeit (Jagd), durch Jungfräulichkeit („ipsaque colebat / virginitate
deam“, met. 1,694f.) und gleiches Flochschürzen des Gewandes die Göt-
tin Diana. Pan sieht sie, begehrt sie, wirbt; die Nymphe flieht, Pan ver-
folgt. Syrinx bittet die Nymphen eines Flusses, ihre Schwestern, um Ver-
wandlung . Als Pan schon glaubt, sie ergriffen zu haben, hat er Schilfrohre
in Händen. Er seufzt auf; da bewirkt sein Atem süße klagende Musik. So
fügt er Rohre ungleicher Länge zur Syrinx zusammen: „,hoc mihi conlo-
quium tecum‘ [. . .] ,manebit“4 (met. 1,710).
Diese Liebesgeschichte ist in jeder Hinsicht eine thematische Du-
blette zur Daphnegeschichte. Deshalb schläft Argus auch ein, als Merkur
zu dem Punkt gekommen ist, wo Pan das Mädchen erblickt (v. 698 f.); und
der Rest wird in zunehmendem Tempo, d. h. in Verkürzung erzählt, dazu
in Oratio obliqua. Auch die Unterbrechung in der Mitte der kurzen Ge-
17 Vgl. Davis (1983), Death of Procris, S. 43: „Apollo’s ,first love', Daphne, constitutes a
blueprint for the type of beloved that appears quite prominently in the early books of the
Met.: the anti-sexual nymph-huntress. [. . .] In Order to etch the narrative ,schema1 on the
mind of the reader, Ovid employs the technique of ,clustering‘, i. e. he gives us several
examples of a major paradigma in dose succession with only insignificant variations.“
18 Der Grund für das Verschwinden los, die Vorgeschichte, wird sogar im Plusquamperfekt
gegeben: „viderat [. . .]luppiterillam“(mei. 1,588),alsoinderVorvergangenheiterzählt.
 
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