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Berger, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1992, 1. Abhandlung): Das Burushaski: Schicksale einer zentralasiatischen Restsprache ; vorgetragen am 12. Januar 1991 — Heidelberg: Winter, 1992

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https://doi.org/10.11588/diglit.48165#0017
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Das Burushaski

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eine starke Expansion, und gelangte durch das Berauben von Karawa-
nen und den daraus sich ergebenden Verkauf von Sklaven zu großem
Reichtum. Im Jahr 1891 erlag Hunza in einer zweitägigen Schlacht den
Engländern und war fortan ein Teil des britischen Empire; 1947 unter-
stellte es sich freiwillig dem neugegründeten Staat Pakistan. Das einhei-
mische Königtum bestand aber auf beiden Seiten des Tals noch bis 1974
weiter, und mit seiner Abschaffung durch Bhutto fiel eine der letzten
Stützen der reichen alten Kultur. Seit in den Jahren 1964 bis 1978 vom
Panjab bis an die chinesische Grenze zusammen von China und Pakistan
in opferreicher Gemeinschaftsarbeit der „Karakoram Highway“ erbaut
wurde, ist Hunza auch dem internationalen Tourismus erschlossen wor-
den, und Romantiker und Aussteiger suchen dort in wachsender Zahl,
was sie in unserer Kultur nicht mehr zu finden glauben. Sie treffen dort
zwar nur noch auf einen kulturellen Trümmerhaufen - und wohl kaum in
einer anderen Region Asiens war der Zusammenprall einer in sich ge-
schlossenen, aber noch ganz mittelalterlichen Auffassungen verhafteten
Weitsicht mit dem modernen technischen Zeitalter abrupter als im Kö-
nigreich Hunza - aber auch auf einen Stamm im Aufbruch, der mit ge-
wohntem Selbstbewußtsein in unsentimentaler Weise seine farbige Ver-
gangenheit zurückläßt und neuen Aufgaben zustrebt.
Die Burushaski-Sprache war auch nach der „Entdeckung“ des Stam-
mes längere Zeit nur durch zwei kurze, wenig verläßliche Wortlisten
bekannt4, bis G.W. Leitner, ein Österreicher in britischen Diensten,
1880 die erste Grammatik des Dialekts von Nager, der südlichen Tal-
seite, zusammen mit Texten veröffentlichte, nur wenig später als der
britische Oberst J. Biddulph, der erste Political Agent von Gilgit.5 Beide
Arbeiten sind noch weit entfernt von einer vollständigen Erfassung des
komplizierten grammatischen Systems und auch in der Lautlehre ganz
unzuverlässig, vermitteln aber doch bereits einen Eindruck von der Ei-
genart der Sprache, die von nun an die Aufmerksamkeit der Linguisten
auf sich zog. Nach einer Pause von mehr als einem halben Jahrhundert
war es dann der englische Oberst Di L. R. Lorimer, der seinen Aufent-
halt in Gilgit - wiederum als Political Agent - zu einer umfangreichen
Dokumentation der Sprache nutzte und in den dreißiger Jahren eine
4 A. Cunningham, Ladak, physical, Statistical, and historical; with notes on the surroun-
ding country, 1854, p. 398-418.
G.W. Hayward, Hunza and Nager, and Yassin, Vocabularies in: Journal of the Royal
Geographical Society, Vol. XLI, 1871, p. 18ff.
' J. Biddulph, Tribes of the Hindoo Koosh (1880).
G.W. Leitner, The Hunza und Nagyr Hand-book, Pt.I (1889).
 
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