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Jan Assmann
sehen Monotheismus dagegen findet man in den verschiedensten
Ausprägungen überall: in Mesopotamien, in Ägypten und natürlich
in Griechenland. Wenn man diesen Unterschied verwischt, dann
sieht es leicht so aus als verlaufe eine Entwicklungslinie vom einen
zum anderen, d. h. von den kosmologischen Monotheismen der
Völker zum politischen Monotheismus Israels. Man würde zwei-
fellos viele Mißverständnisse vermeiden, wenn man für die hier als
„kosmologischen Monotheismus“ bezeichnete Tradition den
Begriff „Monotheismus“ überhaupt vermeiden und statt seiner Bei-
erwaltes’ Begriff des „Denkens (und der Verehrung!) des Einen“
übernehmen würde. Es handelt sich bei dem Begriff „Monotheis-
mus“ ja auch lediglich um eine neuzeitliche Etikettierung und kei-
neswegs um eine antike, quellensprachliche Prägung.20
Die Bezeichnung „Monotheismus“ für diese beiden Religions-
formen und Denktraditionen ist zwar nicht antik, dafür aber ihre
Nichtunterscheidung. Das entspricht der Absicht der jüdischen und
christlichen Apologeten.21 Ihnen geht es um den Nachweis, daß
Moses nichts anderes gelehrt hat als die größten Philosophen der
Völker und vor allem der Griechen, nur eben viel früher, entschiede-
ner und klarer. Wenn Josephus Flavius und andere vom Gott des
altisraelitischen Monotheismus sprechen, dann vertuschen sie, wie
Norbert Lohfmk einmal treffend formulierte, den Eifersuchtsro-
man und machen aus ihm die Nachricht vom unbewegten Bewe-
ger.22 Wahrscheinlich entspringt diese Nichtunterscheidung sogar
nicht einmal immer bewußter apologetischer Absicht, sondern ent-
spricht einer allgemeinen Überzeugung. Ein besonders eklatantes
Beispiel findet sich in den sibyllinischen Orakeln. Dort (I 137-140)
wird die Selbstbezeichnung Jahwehs „Ich bin, der ich bin“ (Ex 3,14)
zitiert und im kosmotheistischen Sinn interpretiert: „Ich bin der
Seiende (είμΐ δ ’ έγώγε ό ών), erkenne dies in deinem Geist: ich legte
den Himmel an als Gewand, ich bekleidete mich mit dem Ozean,
die Erde ist der Grund meiner Füße, die Luft umgibt mich als Kör-
per und die Sterne umkreisen mich“23. Man wollte nicht nur, man
20 Vgl. U. Mauser, „Εις ύεός und μόνος θεός in Biblischer Theologie“, in: Jahrbuch
für Biblische Theologie 1, 1986, 71-87; G. Ahn, a.a.O.
21 Y. Amir, „Die Begegnung des biblischen und des philosophischen Monotheis-
mus als Grundthema des jüdischen Hellenismus“, EvTh 38 (1978) 2-19.
22 N. Lohfmk, in: Rahner (Hrsg.), Der eine Gott und der dreieine Gott, 28-47, S. 31.
23 R. Merkelbach, Μ. Totti, Abrasax. Ausgewählte Papyri religiösen und magischen
Jan Assmann
sehen Monotheismus dagegen findet man in den verschiedensten
Ausprägungen überall: in Mesopotamien, in Ägypten und natürlich
in Griechenland. Wenn man diesen Unterschied verwischt, dann
sieht es leicht so aus als verlaufe eine Entwicklungslinie vom einen
zum anderen, d. h. von den kosmologischen Monotheismen der
Völker zum politischen Monotheismus Israels. Man würde zwei-
fellos viele Mißverständnisse vermeiden, wenn man für die hier als
„kosmologischen Monotheismus“ bezeichnete Tradition den
Begriff „Monotheismus“ überhaupt vermeiden und statt seiner Bei-
erwaltes’ Begriff des „Denkens (und der Verehrung!) des Einen“
übernehmen würde. Es handelt sich bei dem Begriff „Monotheis-
mus“ ja auch lediglich um eine neuzeitliche Etikettierung und kei-
neswegs um eine antike, quellensprachliche Prägung.20
Die Bezeichnung „Monotheismus“ für diese beiden Religions-
formen und Denktraditionen ist zwar nicht antik, dafür aber ihre
Nichtunterscheidung. Das entspricht der Absicht der jüdischen und
christlichen Apologeten.21 Ihnen geht es um den Nachweis, daß
Moses nichts anderes gelehrt hat als die größten Philosophen der
Völker und vor allem der Griechen, nur eben viel früher, entschiede-
ner und klarer. Wenn Josephus Flavius und andere vom Gott des
altisraelitischen Monotheismus sprechen, dann vertuschen sie, wie
Norbert Lohfmk einmal treffend formulierte, den Eifersuchtsro-
man und machen aus ihm die Nachricht vom unbewegten Bewe-
ger.22 Wahrscheinlich entspringt diese Nichtunterscheidung sogar
nicht einmal immer bewußter apologetischer Absicht, sondern ent-
spricht einer allgemeinen Überzeugung. Ein besonders eklatantes
Beispiel findet sich in den sibyllinischen Orakeln. Dort (I 137-140)
wird die Selbstbezeichnung Jahwehs „Ich bin, der ich bin“ (Ex 3,14)
zitiert und im kosmotheistischen Sinn interpretiert: „Ich bin der
Seiende (είμΐ δ ’ έγώγε ό ών), erkenne dies in deinem Geist: ich legte
den Himmel an als Gewand, ich bekleidete mich mit dem Ozean,
die Erde ist der Grund meiner Füße, die Luft umgibt mich als Kör-
per und die Sterne umkreisen mich“23. Man wollte nicht nur, man
20 Vgl. U. Mauser, „Εις ύεός und μόνος θεός in Biblischer Theologie“, in: Jahrbuch
für Biblische Theologie 1, 1986, 71-87; G. Ahn, a.a.O.
21 Y. Amir, „Die Begegnung des biblischen und des philosophischen Monotheis-
mus als Grundthema des jüdischen Hellenismus“, EvTh 38 (1978) 2-19.
22 N. Lohfmk, in: Rahner (Hrsg.), Der eine Gott und der dreieine Gott, 28-47, S. 31.
23 R. Merkelbach, Μ. Totti, Abrasax. Ausgewählte Papyri religiösen und magischen