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Assmann, Jan; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1993, 2. Abhandlung): Monotheismus und Kosmotheismus: ägyptische Formen eines "Denkens des Einen" und ihre europäische Rezeptionsgeschichte ; vorgetragen am 24. April 1993 — Heidelberg: Winter, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.48168#0027
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Monotheismus

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Revolution an den Denkmälern im Lande allenthalben zu sehen
waren, trotz der ramessidischen Restaurierungsarbeiten. Diese
Erinnerungen hatten sich später vermischt mit dem, was man an
jüdischer Religion erlebte und in Erfahrung brachte.
Wir können also zwei Traditionsstränge unterscheiden, die von
einem ägyptischen Monotheismus wissen und die beide in die
Antike zurückreichen. Der eine verbindet sich vor allem mit Plut-
arch und Jamblich. Hier geht es um einen esoterischen Verborgen-
heits-Monotheismus. Der andere verbindet sich mit Strabo und
Manetho. Hier geht es um einen revolutionären Monotheismus,
der mit Gewalt durchgesetzt wurde, also nicht mit Geheimhaltung
und Esoterik verbunden war. In den beiden folgenden Kapiteln sol-
len diese beiden Traditionsstränge mit den ägyptischen Quellen
konfrontiert werden.

3. Die monotheistische Revolution des Echnaton
von Amarna.
Echnaton und sein religiöser Umsturz sind erst in den 80er Jah-
ren des vorigen Jahrhunderts wiederentdeckt worden.61 Nicht ein-
mal in Ägypten selbst hat man fünfzig oder hundert Jahre nach Ech-
natons Tod noch etwas davon gewußt. Sein Name war aus den
Königslisten gestrichen, seine Inschriften getilgt, seine Bauten
abgerissen worden. Nichts erinnerte später an dieses revolutionäre
Intermezzo, das für längstens 20 Jahre die ägyptische Welt auf den
Kopf gestellt hatte. Auch von dem berühmten Sonnengesang des
Königs und anderen Hymnentexten findet sich nicht die geringste
Spur in späteren ägyptischen Sonnenhymnen. Die monotheistische
Religion ist in Ägypten weder rezipiert noch tradiert, sondern sofort
wieder vergessen worden. Zwischen ca. 1340 v. Chr., als der Text im
Grab des Eje aufgezeichnet wurde, und ca. 1884 n. Chr., als erstmals
ein Ägyptologe ihn der Öffentlichkeit wieder zugänglich machte,
war dieser Text nicht mehr gelesen worden. Man muß diese Ver-
gessensgeschichte kennen, um die Bedeutung seiner Wiederent-
deckung ermessen zu können. Auch das Gilgamesch-Epos ist nach
jahrtausendelanger Vergessenheit wiederentdeckt worden. Aber es
61 Zur Entdeckungsgeschichte der Amarna-Religion vgl. E. Hornung, in: Journal
of the American Research Center in Egypt, XXIX, 1992, 43-49.
 
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