Metadaten

Assmann, Jan; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1993, 2. Abhandlung): Monotheismus und Kosmotheismus: ägyptische Formen eines "Denkens des Einen" und ihre europäische Rezeptionsgeschichte ; vorgetragen am 24. April 1993 — Heidelberg: Winter, 1993

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48168#0035
Lizenz: In Copyright
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Monotheismus

33

Sonne ist“. Im Jahre 9 des Königs wird der Name modernisiert und
lautet jetzt: „Es lebt der horizontische Herrscher, der jubelt im
Lichtland, in seinem Namen als Licht75, das als Sonne kommt“.
Hymnen zum Sonnenaufgang reden den Gott mit „Willkommen“
an und sprechen von seiner Ankunft.76 Das ist in traditionellen Son-
nenhymnen nur bei Hymnen zum Sonnenuntergang üblich. In die
Unterwelt „kommt“ der Gott und ist den Unterweltlichen leibhaftig
nahe, von den Oberirdischen dagegen ist er buchstäblich „himmel-
weit“ entfernt.77
Darüber hinaus finden sich nun aber in den beiden kanonischen
und vermutlich vom König selbst verfaßten Hymnen auch Hin-
weise darauf, daß der Gott selbst den König kundig gemacht, sich
ihm also gewissermaßen offenbart hat. Der Große Hymnus drückt
es so aus: „Du läßt ihn kundig sein deiner Pläne und deiner Kraft“78;
in einem anderen Hymnus heißt es: „Deine Kraft und Stärke sind
fest in meinem Herzen“.79 Gott hat sein Wesen dem König erschlos-
sen, indem er ihm die Einsicht in Licht und Zeit als die alles erklä-
rende „Weltformel“ gewährte.
Es handelt sich hier aber, so dürfen wir wohl sagen, um eine im
wesentlichen negative Offenbarung und einen Akt mehr der Aufklä-
rung als der Religionsstiftung. Geht es doch um die Erkenntnis, daß
Gott nur Licht und Zeit ist. Zwar läßt sich für Echnaton die gesamte
sichtbare und den Augen verborgene Wirklichkeit auf Licht und
Zeit zurückführen. Aber geht das Wesen Gottes, wie es sich in der
traditionellen ägyptischen Religion in den vielen Göttern darstellte,
nicht weit über die sichtbare und unsichtbare physikalische Wirk-
75 Die vieldeutige Zeichengruppe, die Sethe, Gunn und Fecht als „Re der Vater“
lesen wollten, bezieht sich wohl doch eher auf ein feminines Wort mit der
Bedeutung „Licht“. Die neue Fassung des Namens vermeidet strict alle
Anklänge an traditionelle Götternamen. Deshalb wird nicht nur der Name
„Horus“ durch „Herrscher“ ersetzt, sondern auch das Wort Schu „Licht“, weil es
dem Götternamen Schu entspricht. Vgl.LBennet,“Notes on the‘aten”’,in: JEA
51, 1965, 207-209; A. Bongioanni, „Considerations sur les ‘noms’ d’Aton et la
nature du rapport souverain-divinite ä l’epoque amarnienne“, in: GM 68,1983,
43-51. Für die ältere Auffassung s. Assmann,in: LÄI, 1973,529 f. (mit Bibliogra-
phie).
76 Sandman, Texts from the Time of Akhenaten,Bibi. Aeg. VIII, 1938,48,12 f.; 33,13;
23,17; vgl. G. Fecht, „Amarna-Probleme“, in: ZÄS 85, 1960, 115 f.
77 Vgl. hierzu Assmann, Liturgische Lieder an den Sonnengott, Berlin 1969, 234 (5)
sowie 46 ff.
78 Sandman 95. 16-17.
79 Sandman 14. 13-16 - 15.1-3.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften