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Manfred Fuhrmann
auf die Franken, die Deutschen, fährt Alexander fort, sei zugleich
eine besondere Einrichtung gestiftet worden, das Kollegium der
Kurfürsten als die für die Wahl des römischen Kaisers zuständige
Instanz. Die Franzosen aber, meint Alexander, hätten von Karl
eine angemessene Abfindung erhalten: ein Erbkönigtum, die
nationale Unabhängigkeit sowie die Pflege der Wissenschaften,
insbesondere die Universität, die Karl von Rom nach Paris ver-
pflanzt habe (Kap. 24).
So gelangt Alexander an das Ziel seiner Argumentation, zur
Lehre von der Ämterverteilung unter den Völkern Europas; er legt
dar (Kap. 25):
Man beachte also; eine angemessene und notwendige Ordnung schrieb vor,
daß einerseits die Römer, die Italiener, als die älteren (im trojanischen
Stammbaum) mit dem Priesteramt, andererseits die Deutschen oder Fran-
ken als die jüngeren mit dem Herrscheramt und schließlich die Franken-
abkömmlinge oder Franzosen als die scharfsinnigeren mit der Pflege der
Wissenschaften bedacht würden, daß weiterhin die Überzeugungstreue der
Italiener den christlichen Glauben fest bewahre, daß die Tapferkeit der
Deutschen ihn zu bewahren herrscherlich gebiete und daß der Scharfsinn
und die Redegewandtheit der Franzosen mit unwiderleglichen Gründen
beweise und darlege, wie der Glaube von jedermann zu bewahren sei.
Durch diese drei Ämter, d. h. durch das Priesteramt, das Herrscheramt und
die Pflege der Wissenschaften, gleichsam durch drei Kräfte, durch die Kraft
des Heils, der Natur und des Geistes, wird die heilige christliche Kirche im
geistlichen Sinne am Leben erhalten, vergrößert und gelenkt.
Dies also ist die Europa-Doktrin Alexanders: drei Funktionen, das
sacerdotium, das regnum und das studium (das Priesteramt, das
Herrscheramt und die Pflege der Wissenschaften), seien in der
Weise auf die drei Hauptnationen verteilt, daß den Italienern das
Priesteramt, den Deutschen das Herrscheramt und den Franzosen
die Pflege der Wissenschaften zukomme. Diese Aufteilung der
Kompetenzen ergibt sich für Alexander zwingend aus der Wesens-
art der beteiligten Nationen: den Italienern eignet constantia, also
Festigkeit, Überzeugungstreue; die Deutschen wiederum zeichnen
sich durch magnanimitas, durch Tapferkeit aus, und die Franzosen
besitzen argutia et facundia, Witz und Redegewandtheit.65 Dem-
gemäß haben die Italiener die Aufgabe, den christlichen Glauben
zu bewahren, die Deutschen, die Bewahrung des Glaubens durch
65 Derlei Charakteristiken von Völkern waren im Mittelalter verbreitet; vgl.
Grundmann und Heimpel in ihrer Edition der Schriften Alexanders (Anm. 57),
S. 1601; Huizinga, a.a.O. (Anm. 61), S. 138f. und 145ff.
Manfred Fuhrmann
auf die Franken, die Deutschen, fährt Alexander fort, sei zugleich
eine besondere Einrichtung gestiftet worden, das Kollegium der
Kurfürsten als die für die Wahl des römischen Kaisers zuständige
Instanz. Die Franzosen aber, meint Alexander, hätten von Karl
eine angemessene Abfindung erhalten: ein Erbkönigtum, die
nationale Unabhängigkeit sowie die Pflege der Wissenschaften,
insbesondere die Universität, die Karl von Rom nach Paris ver-
pflanzt habe (Kap. 24).
So gelangt Alexander an das Ziel seiner Argumentation, zur
Lehre von der Ämterverteilung unter den Völkern Europas; er legt
dar (Kap. 25):
Man beachte also; eine angemessene und notwendige Ordnung schrieb vor,
daß einerseits die Römer, die Italiener, als die älteren (im trojanischen
Stammbaum) mit dem Priesteramt, andererseits die Deutschen oder Fran-
ken als die jüngeren mit dem Herrscheramt und schließlich die Franken-
abkömmlinge oder Franzosen als die scharfsinnigeren mit der Pflege der
Wissenschaften bedacht würden, daß weiterhin die Überzeugungstreue der
Italiener den christlichen Glauben fest bewahre, daß die Tapferkeit der
Deutschen ihn zu bewahren herrscherlich gebiete und daß der Scharfsinn
und die Redegewandtheit der Franzosen mit unwiderleglichen Gründen
beweise und darlege, wie der Glaube von jedermann zu bewahren sei.
Durch diese drei Ämter, d. h. durch das Priesteramt, das Herrscheramt und
die Pflege der Wissenschaften, gleichsam durch drei Kräfte, durch die Kraft
des Heils, der Natur und des Geistes, wird die heilige christliche Kirche im
geistlichen Sinne am Leben erhalten, vergrößert und gelenkt.
Dies also ist die Europa-Doktrin Alexanders: drei Funktionen, das
sacerdotium, das regnum und das studium (das Priesteramt, das
Herrscheramt und die Pflege der Wissenschaften), seien in der
Weise auf die drei Hauptnationen verteilt, daß den Italienern das
Priesteramt, den Deutschen das Herrscheramt und den Franzosen
die Pflege der Wissenschaften zukomme. Diese Aufteilung der
Kompetenzen ergibt sich für Alexander zwingend aus der Wesens-
art der beteiligten Nationen: den Italienern eignet constantia, also
Festigkeit, Überzeugungstreue; die Deutschen wiederum zeichnen
sich durch magnanimitas, durch Tapferkeit aus, und die Franzosen
besitzen argutia et facundia, Witz und Redegewandtheit.65 Dem-
gemäß haben die Italiener die Aufgabe, den christlichen Glauben
zu bewahren, die Deutschen, die Bewahrung des Glaubens durch
65 Derlei Charakteristiken von Völkern waren im Mittelalter verbreitet; vgl.
Grundmann und Heimpel in ihrer Edition der Schriften Alexanders (Anm. 57),
S. 1601; Huizinga, a.a.O. (Anm. 61), S. 138f. und 145ff.