Metadaten

Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 1): Frühschriften 1520 - 1524 — Gütersloh, 1960

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29138#0205
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
5
10
15
20
25
30
35

GRUND UND URSACH

201

noch gantzes ist im gantzen genanten geistlichen standt27. Darumb würt
es kein leichtfertigkeit sein, ob man schon unangesehen, was im Concilio
zu Costentz beschlossen, das gots wort lasset die richtschnur sein aller
leer und predig28, verhört auch ein jeden, der sich erbeüt zu beweysen,
das sein predig und leer das wort gottes sey, so man doch kein leicht-
fertigkeit achtet, das in vil geringern sachen ersucht würt, was dem
rechten gemeß sey oder nit darunder nit geachtet, was bey den alten
beschlossen ist. |
Die götlich schrifft leyt so hell am tag, dazu greifft man, das der B 2 a
geschrifft zu wider ist, was der genant geistlich hauff lert und thut, das
erkennet auch so ein grosser teil der erbarkeit, wo nur freyheit ist, das
wort gottes zu predigen, das es freilich kein verstendiger und der der
worheit nit vor entsaget hat, unnütz noch unnotürfftig achten mag von
sachen unsers glaubens und Christlichs lebens, die yetzund in miß-
hellung schweben, verhör, red und befragung zu vergünnen. Ja, niemant
der Christum liebet, mag solche abschlagen, vil weniger jemant unver-
hört verdammen. Aber freylich, wer der sach ein wenig nachdenckt,
würt bald sehen, das die genanten geistlichen gemeldter einreden keine
fürten, wo sye irer sach fug hetten, sye wissen, wo sye für die gemein
erbarkeit komen und ir handel gegen götlicher schrifft gehalten wurd,
ja nur gegen natürlicher billikeit, das sye nit beston möchten, darumb
ist all ir arbeit und mühe seyt dem letsten reichstag, zu Augspurg ge-
halten29, allein darauff gericht, das niemant kein verhör gegünt, sonder
menigklich, der inen nit wil gewonnen geben, unverhört und unver-
antwurt verdampt werde.
Das mag nu E.F.G. wol erkennen, wie nit allein unchristlich, sonder
wie unnatürlich solichs sey, wie sye das auch erkent hat und lengest
vermerckt, das sye die vermeinten geistlichen ir sach mit gewalt begeren,
hynauß zu bringen. Darumb würt ir seel inderen rath nimer verwilligen.
Auch sich nit bewegen lassen, das sye on underlaß liegen, man wölle
alle oberkeit abthun und, so man ein reformation mit inen erlange,
werde man denn an alle oberkeit geraten und all gehorsame aufflösen.
Dann so man das wort gottes predigt, leret man, das ein jede seel sol
der gewalt und aller oberkeit underthon sein und gehorchen, wie das
Ro. 13 [1—7], Tit. 3 [1] und 1. Pet. 2 [13-14] außgedruckt ist. Dann
freylich, so man got recht | leret erkennen, mag nit sein, das seiner B 2 b
ordnung, der allen gewalt und oberkeit einsetzet, jemandt widerstrebe.
27. B.s Kritik am »geistlichen Stand« erinnert wieder an die Schrift Luthers:
An den christlichen Adel, 1520: WA 6, 407 ff.
28. Als alleinige Richtschnur gilt die Hl. Schrift für Luther seit 1519. Vgl. H. Preuss:
Die Entwicklung des Schriftprincips bei Luther bis zur Leipziger Disputation.
Leipzig 1901. Seeberg: Dogmengeschichte IV, 1. S. 83.
29. Augsburg 1518.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften