ANLAGEN UND GUTACHTEN
313
ein ieden leicht zu verston sind als: Got hat die welt so lieb gehabt, das er
sein son fur sy geben hat [Jo 3,16], item: In solt ir hören [Mt 17,5]; item:
Habt ein ander lieb, wie ich euch hab lieb gehebt [Jo 15,12]; item: On mich
vermögt ir nichs [Jo 15,5]. Vnd der gleichen heller offner spruch hat man
5 in der bibel; wer solche mit einem rechten glauben kondte vffnemen,
wurde alles anders, so weit im zur selikeyt not vnd andern, die er leren
soll, nutz mochte sein, wol versten. Dan der geistlich mensch, wie dan ist
ein ieder gleubiger, richtet alle ding, 1. Cor. 2 [15]. Die vetter haben ouch
nit mer gethon, dan das sy etliche helle ort der schrifft gegen denen,
10 so etwas dunckel schynen, gehabt haben vnd dadurch solche verclert20.
Wo sy anders thon haben vnd ieren eigen dunckel eingefürt, haben sy
selbst begert, das man inen keinen glauben geben soll21. Des stond
feine, herliche spruch uss dem Augustino ouch im decret dist. ix.22.
Das aber der gegentheil furwendet, der | heilig geist sy auch in Vettern, f°
15 Paepsten vnd concilien, dorumb sollen ire ler, statuten vnd ordenung
eben als wol angenomen werden, alss weren sy in der gotlichen schrifft
vssgedruckt. Diss lenet man ab mit dem, das sant Paulus gesagt hat
vnd erst droben anzogen ist23, die gotlich schrifft leret alles guts, darumb
was sich mit der selbigen nit zu treit vnd auch in ir nit begriffen ist,
20 das kan ouch nit gut sein. Dorumb sagt Christus Math, am letsten [20],
do er seine iunger sandt prediger in die gantze welt: Lerent sy, sagt er,
halten alles, was ich euch befohlen hab, sagt nit: machte eigen satzung vnd
ordenung. Darumb unss dan auch S. Paulus warnt vor menschen leer,
Colloss. 2 [8] vnd andern orten mer24. Nun es syen paepst, vetter oder
25 Concilia, so sind sy vorerst noch alle menschen, weiter dan sy durch
den heiligen geist zu kindern gotes werden, der dan in inen redet vnd
wurckt. Darumb sollen sy etwas guts an richten, so muss es der geist
gotes in inen thun, der selbig ist aber nun eben der, der die bibel gedicht25
hat vnd durch Paulum vnd andre gesagt, alles, was gut vnd got gefellig
30 sein mag, sy dorin begriffen, Daruss dan volget, das kein Papst, Concili
oder vetter etwas setzen oder leren mogen uss dem heiligen geist, das
nit zu vor in der bibel gemeldet vnd begriffen sy, dan er kan sich selb
ie nit zum lugner machen; so er dan gesagt hat, das gut sy alles in der
bibel genugsam | begriffen, kan er nit ie kein Zusatz machen. Deshalb f°
20. Vgl. Luther: »S. patres suis commentariis nihil aliud fecisse quam ut, dum sua
probrant per scripturas, notiora probant per ignotiora«, WA 7,98, 22-23 (Assertio).
21. Vgl. die von Luther, WA 7,99, 3-23 angeführten Stellen aus Augustin und
Hilarius.
22. Corp. iur. can. Decr. Grat. I, 9, 3—11; vgl. Summary, S. 87, und Erasmus,
Allen II, 166, 14-16 (NT, Vorrede an den Leser) undKarlstadt: De canonicis scripturis
libellus, ed. Credner, § 11, S. 325.
23. 2 Tim 3, 15-17; oben, S. 312.
24. Vgl. Eph 5, 6; 2 Thess 2,3.
25. Verfassen.
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ein ieden leicht zu verston sind als: Got hat die welt so lieb gehabt, das er
sein son fur sy geben hat [Jo 3,16], item: In solt ir hören [Mt 17,5]; item:
Habt ein ander lieb, wie ich euch hab lieb gehebt [Jo 15,12]; item: On mich
vermögt ir nichs [Jo 15,5]. Vnd der gleichen heller offner spruch hat man
5 in der bibel; wer solche mit einem rechten glauben kondte vffnemen,
wurde alles anders, so weit im zur selikeyt not vnd andern, die er leren
soll, nutz mochte sein, wol versten. Dan der geistlich mensch, wie dan ist
ein ieder gleubiger, richtet alle ding, 1. Cor. 2 [15]. Die vetter haben ouch
nit mer gethon, dan das sy etliche helle ort der schrifft gegen denen,
10 so etwas dunckel schynen, gehabt haben vnd dadurch solche verclert20.
Wo sy anders thon haben vnd ieren eigen dunckel eingefürt, haben sy
selbst begert, das man inen keinen glauben geben soll21. Des stond
feine, herliche spruch uss dem Augustino ouch im decret dist. ix.22.
Das aber der gegentheil furwendet, der | heilig geist sy auch in Vettern, f°
15 Paepsten vnd concilien, dorumb sollen ire ler, statuten vnd ordenung
eben als wol angenomen werden, alss weren sy in der gotlichen schrifft
vssgedruckt. Diss lenet man ab mit dem, das sant Paulus gesagt hat
vnd erst droben anzogen ist23, die gotlich schrifft leret alles guts, darumb
was sich mit der selbigen nit zu treit vnd auch in ir nit begriffen ist,
20 das kan ouch nit gut sein. Dorumb sagt Christus Math, am letsten [20],
do er seine iunger sandt prediger in die gantze welt: Lerent sy, sagt er,
halten alles, was ich euch befohlen hab, sagt nit: machte eigen satzung vnd
ordenung. Darumb unss dan auch S. Paulus warnt vor menschen leer,
Colloss. 2 [8] vnd andern orten mer24. Nun es syen paepst, vetter oder
25 Concilia, so sind sy vorerst noch alle menschen, weiter dan sy durch
den heiligen geist zu kindern gotes werden, der dan in inen redet vnd
wurckt. Darumb sollen sy etwas guts an richten, so muss es der geist
gotes in inen thun, der selbig ist aber nun eben der, der die bibel gedicht25
hat vnd durch Paulum vnd andre gesagt, alles, was gut vnd got gefellig
30 sein mag, sy dorin begriffen, Daruss dan volget, das kein Papst, Concili
oder vetter etwas setzen oder leren mogen uss dem heiligen geist, das
nit zu vor in der bibel gemeldet vnd begriffen sy, dan er kan sich selb
ie nit zum lugner machen; so er dan gesagt hat, das gut sy alles in der
bibel genugsam | begriffen, kan er nit ie kein Zusatz machen. Deshalb f°
20. Vgl. Luther: »S. patres suis commentariis nihil aliud fecisse quam ut, dum sua
probrant per scripturas, notiora probant per ignotiora«, WA 7,98, 22-23 (Assertio).
21. Vgl. die von Luther, WA 7,99, 3-23 angeführten Stellen aus Augustin und
Hilarius.
22. Corp. iur. can. Decr. Grat. I, 9, 3—11; vgl. Summary, S. 87, und Erasmus,
Allen II, 166, 14-16 (NT, Vorrede an den Leser) undKarlstadt: De canonicis scripturis
libellus, ed. Credner, § 11, S. 325.
23. 2 Tim 3, 15-17; oben, S. 312.
24. Vgl. Eph 5, 6; 2 Thess 2,3.
25. Verfassen.