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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 1): Frühschriften 1520 - 1524 — Gütersloh, 1960

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https://doi.org/10.11588/diglit.29138#0391
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DUBIOSA

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Mandat wurde am 10. März beschlossen und am 26. März 1521 ver-
öffentlicht. Da Hutten die Vereinbarung mit dem Kaiser schon ge-
schlossen hat, Luthers Bekenntnis vor Kaiser und Reich nicht erwähnt
wird, dürfte die Zeit, in der unser Dialog spielt, die Zeit vom 9. bis 17. April
1521, die Zeit von Luthers Anreise zum Reichstag, sein38. Dagegen
spricht nicht, daß Karsthans dann Sickingen zu einer Hauptmannschaft
gratuliert, die er noch gar nicht hat. Lehmann weist richtig darauf hin,
daß Hutten das schon am Neujahrstag 1521 tut39. Am 6. April 1521
schreibt Bucer von der Ebernburg an Beatus Rhenanus, daß nur die
päpstliche Gesinnung des Kaisers Sickingen bei der Annahme des
Vertrages zu zögern veranlasse40.
KIRCHENKRITIK UND KIRCHENREFORM IM NEUKARSTHANS
Das Hauptanliegen des Verfassers ist Kirchenkritik und Kirchenreform,
die, wenn möglich, nicht durch äußerlichen Druck, sondern durch
Belehrung der Geistlichen und so durch innerliche Überwindung
erfolgen soll. Kirche, das sind nicht äußerliche Einrichtungen, wie
prachtvolle Kirchengebäude, prunkbeladene Zeremonien, machtvolle
Mönchsorden, sondern die Gemeinschaft aller Christen. Kirche ist der
Leib Christi und Christus ist ihr Haupt. Um das christliche Volk zu
behüten und zu belehren, hat Christus als Hirten die Apostel und ihre
Nachfolger, den Klerus eingesetzt. Alle kirchlichen Reformforderungen
des Neukarsthans betreffen die Geistlichkeit. Den Maßstab für seine
Kritik an der bestehenden Kirche nimmt er vom Urbild der apostoli-
schen Kirche, das wir in den Lehren Christi und seiner Apostel finden.
Die Kirche soll immer genaues Abbild dieses normativen Urbildes sein.
Die Methode der Kritik ist der Vergleich der gegenwärtigen Kirche
mit der alten Christenheit, wie sie der Verfasser aus den Worten Christi
und den Schriften der Apostel und Kirchenväter erkennt. Vor dem
strahlenden Hintergrund des urchristlichen Ideals tritt der gegenwärtige
Verfall der Kirche um so deutlicher hervor.
Die Kirchenkritik trifft allein den Klerus und der entscheidende Vor-
wurf lautet: Die Geistlichkeit ist nicht geistlich, weil sie nicht nach der
Lehre Christi und seiner Apostel und nach dem dort gegebenen Beispiel
lebt. Die Geistlichen müssen sich aller weltlichen Dinge entschlagen
und nach dem Geist leben, dann kann auch der heilige Geist durch sie
wirken. Hinter diesen Gedanken steht die erasmische Anschauung des
Geistes als Richtschnur für das Leben. Nachfolger der Apostel sind
nur die, die nach apostolischem Vorbild leben. Nicht päpstliches Recht
38. Vgl. E. Lehmann, a.a.O., S. XXI. 39. Vgl. E. Lehmann, a.a.O., S. XIX.
40. Vgl. Horawitz-Hartfelder, S. 272f.
 
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