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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 17): Die letzten Strassburger Jahre: 1546 - 1549 — Gütersloh, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.30258#0108
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DIE LETZTEN STRASSBURGER JAHRE 1546-1549

Dis alles, lieben brüder, - welches wol eines weitleüffigern und eigentlichem151
erzellens bedorffte, als onachtsam152 wir leider alle sind, zu vermercken und zu erken-
nen unser eigen sünden und alle werck und gerichten des Herren - wollen als vor Gott
und gegen seinem ewigen wort recht ansehen und bedencken, so werdt ir doch je beken-
nen müssen, das wir alle die schweristen, grewlichsten straffen, die der Herre, wie den 5
alten also auch uns, gedrawen hat im 26. des dritten und 28. des 5. buchs Mose [14-39]
[15-68], lengist wol verdienet haben: Das wir nemlich an uns selb, an unsern weiben
und kindern, habe, leib, guter, Poücei153 und Kirchen solten mit allerlei Süchten, mangel
aller guter, mit auffrüren, hingeben in die hend der feinden, mit verhergen154 und ver-
stören aller güten regierung und Religion geplaget, verstöret, zerschlagen, gering 10
| D ib | gemacht und den ergsten feinden gentzlich verkaufft und endtlich von der
Erden vertilget worden sein.
So wir dann auff den heutigen tag uns noch nierget zu der büs und besserung ergeben,
die soliche straffen und plagen dem barmhertzigen Gott durch seinen lieben Son abzu-
bitten gentzlichen von noten ist, wie ich oben aus dem ewigen Gotteswort dargethon 15
habe, wie kondte dann ein Christ, der diß alles will Christlichen155 ansehen, erkennen
und bedencken, das ist: nach dem ewigen wort Gottes, nit nach der blinden Gottlosen
vernunfft, die Gott, sein wort und gericht für und für messigen und meisteren156 wille,
einige Ursachen haben, sich zu verwunderen, das der gütig, barmhertzig Gott sein hand
in unser straffe noch ausgestrecket hat157 und der seinen gebett noch nicht dahin erho- 20
ret, das er den feinden seines Sons, den Widerchristen, ire Triumph, hon und spott, auch
ernste Verfolgung wider sein h. Evangeli und die kleine herd, die das von hertzen suchet,
stillete158?
Meint ir nicht, das auch zun Zeiten Jeremie, da der barmhertzige Gott alles sein volck,
statt und tempel in die hend der Chaldeer gäbe zu der allergrewlichsten schmach und 25
verstorung, nit wenig frommer leut gewesen seien, die täglich wider diesen jamer Gottes
genad durch ernstes fasten, betten, flehen und alle güte wercke mit dem lieben Prophe-
ten gesüchet haben? Nun, deren gebett hat der gütige Gott gewißlich erhöret - denn sie
in im glauben angerüffen - und nit allein in dem, das er sie in allen irem trübsal und
eilend wunderbarlich getröstet und, wie er dem Baruch versprochen159, ihnen ire seel 30
und leben zur beut gegeben, wahin sie kommen sind160, sonder auch das er sein Reich
bei ihrer bleib erhalten161 und dieselbige zu seiner zeit überherrlichen widerbracht und
151. Umfassenderen und genaueren. Götze, S. 226.
152. Nicht darauf achtend. Lexer 2, Sp. 1750. Übertragen: träge, faul.
153. Weltliches Regiment, Stadtobrigkeit.
154. Verheeren.
155. Auf christliche Weise (adv.).
156. Einschränken und bestimmen. Mäszigen = moderare, temperare, d. h. ordnen, einrichten.
Grimm 6, Sp. 1744; meisteren = einer Situation Herr bleiben. Grimm 6, Sp. ip74ff., bes. unter
Nr. 8b in Sp. 1976.
157. Vgl. Jes 9,11.16.20; 10,4.
158. Zum Aufhören brachte.
159. Vgl. Jer 36 passim.
160. Vgl. Jer 45,5.
161. Sein Reich erhalten, nicht von ihnen genommen. Lexer 1, Sp. 173: beliben = verbleiben.
 
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