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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 5): Strassburg und Münster im Kampf um den rechten Glauben, 1532 - 1534 — Gütersloh, 1978

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https://doi.org/10.11588/diglit.29142#0272
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IM KAMPF UM DEN RECHTEN GLAUBEN

führte nicht »die menschlichen dunckleren wort« ein45. Mögen die Altgläubigen
in ihrer Polemik auch behaupten, »was man im namen des lauteren Evangeli jetz
prediget und handlet, seie alles stracks wider das, so die eltere Kirchen und heyli-
gen vätter gehalten.«46 Bucer weiß sich doch mit guten Argumenten auf ihrer
Seite. Und nach keinem anderen Ziele strebt er, als nach »dem ernst und eyffer des
rechten, waren glaubens Christi, wie der dennoch bey den alten gewesen ist.«47 So
gewinnt Bucer hier für die Verhandlungen zwischen den Konfessionen in Schrift
und Väterstimmen eine zweifache, von beiden kirchlichen Parteien anzuerken-
nende Grundlage.
Auf dieser Basis verständigen sich dann auch die beiden Gesprächspartner im
vorliegenden Dialog in wichtigen Punkten. Andererseits aber ist Bucer bei allem
Optimismus nüchtern genug, auch die Grenzen der möglichen Übereinstimmung
zu sehen. So bleibt zum Beispiel die Frage nach dem Primat des Papstes und der
Hierarchie, nach Messe, Klostergelübden, Fasten und der Zahl der Sakramente
vorerst noch ungelöst48. Doch wie es in der Alten Kirche bei aller Einigkeit
Unterschiede in Sitten und Gebräuchen gab49, so müßte auch jetzt trotz verschie-
dener Zeremonien bei gutem Willen eine Einigung möglich sein. »Ist das nit
genug«, ruft Gothertz aus, »in dem heyligen Evangelio und allem, das wir mit
Got immer thun könden, sampt furstreckung leibs und alles zeitlichen, wöllen wir
uns freund und bruder beweysen, allen, die nach Gott fragen und unseren Herren
Jesum bekennen, unseren heyland sein.«50 Von hier aus wird die dankbare Zu-
stimmung deutlich, mit der Bucer des Erasmus Einigungsschrift begrüßt hat51.
In seinem maßvollen, allen Gewaltlösungen abholden Ausgehen von der be-
stehenden Kirche ähnelt Erasmus dem Gotprächt des Dialogs, mit dem Gothertz-
Bucer wohl zu einer Einigung zu kommen vermag.
Wie wir dem oben erwähnten Brief Ambrosius Blaurers entnehmen können,
fand die >Furbereytung< bei Bucers Freunden ein freundliches und begeistertes
Echo52. Als er jedoch in einigen, dem Gutachten Melanchthons von 1534 an
Franz I. von Frankreich angefügten Sentenzen der Gegenseite noch weiter ent-
gegenkam und den päpstlichen Primat anerkannte53, mußte er sich aus dem glei-
chen Kreise sehr kritische Stimmen gefallen lassen. »O preposterum et immaturum
concordie studium, o ignem et aquam!« ruft Thomas Blaurer im Januar 1535 in
einem Brief an seinen Bruder Ambrosius, »sic apperientur evangelio fores? Quid
non concedat, quid non faciat papa, si spes obtinendi ulla pestilentissimi huius
45. BI. C 4b, S. 287.
46. Bl. A 4a, S. 274.
47. Bl. G 3 b, S. 309.
48. Bl. J 4b bis M 2b, S. 324; Bl. N 4a bis O 3a, S. 350ff.
49. Bl. O 3a bis O 4a, S. 354ff. 50. Bl. O 5a, S. 358.
51. Vgl. oben S. 264. Zugleich zeigt es sich hier, wie stark B. auch in späteren Jahren noch den
Gedanken seines Lehrers verpflichtet ist; vgl. Stupperich, Der Humanismus, S.22f.
52. Vgl. Schieß I, S.434; vgl. oben S. 265.
53. Sententia Domini Buceri. In: M. Goldast: Politica imperialia sive discursus politici ...
Frankfurt 1614. S. 1286ff. Auch gedruckt in: Pollet 2, S. 509-518. - Vgl. zum Zusammenhang
Kantzenbach, Das Ringen, S. 125-127. Stupperich, Der Humanismus, S. 32-35.
 
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