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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]; Stupperich, Robert [Bearb.]; Kroon, Marijn de [Bearb.]; Rudolph, Hartmut [Bearb.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 6,1): Wittenberger Konkordie (1536) — Gütersloh, 1988

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https://doi.org/10.11588/diglit.29831#0045
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EINLEITUNG

41

Faktoren unübersehbar ist. Freilich sollte die Konkordie, obwohl sie weithin Zustim-
mung fand, doch nicht von allen angenommen werden.
Die Zwinglianer in Zürich versagten sich, wie wir sahen. Als Hüter des zwingli-
schen Erbes wahrte Bullinger das Ansehen und die Erinnerung des Zürcher Reforma-
tors. Es waren mehr schweizerische lokale Gründe, die gegen die Konkordie vorge-
bracht wurden, als wirklich theologische. Bucer stand hier einer geschlossenen Front
gegenüber, die er nicht aufzubrechen vermochte. Die Folge dieser Entwicklung war
aber, daß mit dem Scheitern dieses letzten Einigungsversuchs die Verbindung der
Schweizer zum deutschen Protestantismus nachließ und immer mehr verlorenging.
Die Wittenberger Konkordie lag zeitlich noch vor der konfessionellen Festlegung.
Und in ihrem Mittelpunkt stand die Straßburger und nicht die Wittenberger Theolo-
gie. Der Partner, mit dem die Schweizer es zu tun hatten, war Bucer selbst. Die Ver-
handlungen waren nun zusätzlich erschwert, weil die Schweizer sich in der Confessio
Helvetica prior zusammengeschlossen hatten und nun meinten, auf den weiteren
Ausgleich mit den Konfessionsverwandten im Reich verzichten zu können. Verhin-
dert haben den Ausgleich nicht minder die Konstanzer. Die offizielle Stellung wurde
auf der Zürcher Synode vom 28. April bis 3. Mai 1538 im alten Sinne festgehalten und
der »Genuß durch das glaubige Gemüt« betont, was bei Luther erneut Mißtrauen
weckte. Zu einem Vergleich kam es nicht mehr. Nur bei den oberdeutschen Städten
galt die Wittenberger Konkordie weiterhin 160 .
Bucers jahrelange Bemühungen, in seinen Verhandlungen in Zürich wie in Bern,
sind von den Schweizern vereitelt worden. Bucer hatte keine Mühe gescheut, um die
Möglichkeit zu einer theologischen Verständigung und zu einer weiterführenden
Einigung zu schaffen, die historische Stunde war gleichwohl verpaßt worden. Die
Verwirklichung eines großen Projekts blieb aus. Man ist versucht zu sagen ... confu-
sione hominum.
Der weitere Weg der Wittenberger Konkordie verläuft fast nur noch im deutschen
lutherischen Bereich. Die Vereinbarung blieb nur auf dieser Seite gültig und führte
über den Kreis der Konfessionsverwandten ein wenig hinaus. Die Kritik am einseiti-
gen Urteil der Schweizer änderte nichts an der Sache. Ihr Stolz führte die Zürcher in die
Isolierung. Sie blieben bewußt in ihren Grenzen und sind auch später nur bis zum
Consensus Tigurinus (1549) gegangen. Am deutschen Protestantismus hatten sie
fortan kein Interesse.
Landgraf Philipp von Hessen sah in der Wittenberger Konkordie ein äußerst
wichtiges Datum 161 . Er war von ihr so überzeugt, daß er sie in seinem Testament
verankerte. Die Hessische Kirche solite fortan daran festhalten. Da er an der Vorberei-
tung dieses entscheidenden Gesprächs mitgewirkt hatte, lag Philipp das Ergebnis auch
160. Vgl. Eidg. Abschiede 4,1.0., Nr. 580, S. 956 — 960 und Th. Kolde: Die Wittenberger
Konkordie. In: RE 21, S. 398 und die Antwort Luthers; WA Br 8, Nr. 3191, S. 150-15 3. Am
4. Mai 1538 schrieben die Schweizer erneut an Luther; a.a.O., Nr. 3224, S. 211-214. Die Ant-
wort Luthers erfolgte erst am 27. Juni 1538; a.a.O., Nr. 3240, S. 241h Zuvor, am 14. Mai 1538,
hatte der Wittenberger Bullinger schon Bescheid gesagt; a.a.O., Nr. 3229, S. 223 h (»vos fortasse
creditis nos errare; id commendo Dei iudicio«; S. 224, Z. 21).
161. J. Köstlin, G. Kawerau, a.a.O., S. 347.
 
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