Metadaten

Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 6,2): Zum Ius reformationis: Obrigkeitsschriften aus dem Jahre 1535 ... — Gütersloh, 1984

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29832#0151
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DIALOGI

*47

Sinnp: Auch vil heüchler. Frid: Lieber, was haist du ain heüchler? 635 Sinnp: Der sichs
güten annimbt auß bosen falschem hertzen. Frid: Wie nimbt sich aber ain solcher des
güten an? Sinnp: Das er vorn lewten unterweylen redt und thüt, das an im selb güt ist,
meydet, das an im selb boß ist, und ist im doch darin nit ernst, gemainets nit also. Frid:
; Wenn es dann ye nit besser sein mag, so seye des güten, das ain solcher seinen schalck 636
züdecken thüt, und das boß, das er meydet, wie j R 3 a | wenig es wolle, so ists dennoch
weger 637 , er thüe dasselbig wenig güt und meyde das wenig boß und gleich 638 auß
bosem hertzen, dann das er auß seinem bosen hertzen eytel boß thate und alles güt
liesse.
10 Man kan auch nit sagen, das die Gotsalige oberkait damit, das sy mit belonung und
straffen zum güten anfüret und vom argen abtreibet, mache, das ainer ain falsch, boß
hertz habe und also ain heüchler sey. Dann so ain solliche oberkait das güt nützlich und
das boß schedlich machet, so thüt sy das, das ir von Gott befolhen und das nach art des
menschens mehr pflegt das hertz zü gewinnen und zü machen, das den leüten das güt
15 geliebe und das boß erlayde. Sinnp: Ja, nach art der güten menschen. Frid: Nach art
aller menschen. Freylich, du erferest das täglich an deinen aigen kindern. Wenn du inen
das rechtthün bey dir nutzlich und ehrlich und das unrechtthün schädlich und schendt-
lich machest, das sy mit der zeit zü gütem lust und zum argen unlust gewinnen.
639 Sinnp: Es ist mitt dem Christlichen leben ain anders, du würst durch zeytlichen
20 nutz und thün, schaden oder schand dazü nichts außrichten. Frid: Wieso nichts?
Warumb hat dann der Herr nit allain im alten, sogar auch im newen Testament vom
bosen zum güten getriben und geraitzet durch so fleissig fürhaltung zeitliches, bede,
nutzes und schadens? Hundertfältig wert irs hie einnemen, spricht der Herr, was ir
umb meinetwillen verlasset 640 . So schreibt Paulus, Got werde denen die zeytliche
2; narung hauffen, die dieselbige reichlich außspenden 641 . Item, so zeüget er, Got habe
die Corinther mit kranckhait und sterben gezüchtiget, das er sy mit der welt nit ver-
dammete 642 . Auß dem ye folget, das sy der Herr mit sollicher straff zur selbwilligen
büß getriben hatt. Es ist warlich Got den Allmächtigen geschmähet, das etlich sagen
wollen, die anraitzung zur Gottsäligkait durch zeytliche güter und das abtreiben von
30 dem gottlosen wesen durch die zeytlichen straffen mache nur heüchler. Dann der
Allmächtig Got, der kain heüchler, sonder die in von hertzen lieben, haben wille,
raitzet selb in allem gesatz und Propheten zur waren gotsäligkait durch verhaissen
zeitlicher güter und treibet ab von aller | [R 3 b] [ gotloßhait durch trawen 643 zeytli-
cher straffen Darumb, das den menschen sollich zeytlich güter und straffen mehr
3; bekandt und in deßhalb zü bewegen mehr krefftig seind.

635. Wa^ heüchler seynd und wer die mache. [Marg.].
636. Betrug.
637. Besser.
638. Obschon.
639. Durch yeytliche güter und straffe kan man yum glauben vom unglauben treyben. [Marg.].
640. Vgl. Mt 19,29.
641. Vgl. 2 Kor 8,2.
642. Vgl. 1 Kor 11,32.
643. Androhen.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften