Metadaten

Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 6,2): Zum Ius reformationis: Obrigkeitsschriften aus dem Jahre 1535 ... — Gütersloh, 1984

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29832#0150
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
146

OBRIGKEITSSCHRIFTEN

627Sinnp: Noch kan man dannocht niemandt zum glauben zwingen. Frid: Zwingen?
Lieber, was haistu zwingen? Sinnp: Ainen etwar zuwider seinen willen noten. Frid:
Recht, wider seinen willen. Mag aber der mensch auch etwas thun, das er nit wille?
Wann dich ain Tyrann wolte todten, wa du nicht Christum verleügnetest und, da Got
vor sey628, du fielest und verleügnetest Christum, woltestu sollich verleügnen auch für
sünd halten? Sinnp: Was künde ich schwarers sünden? Frid: Du warest doch gezwun-
gen? Sinnp: Ja, noch bewilliget ich.
Frid: Also ists mit dem menschen in allen dingen, im mage man wol vil thün wider
seinen willen und im wehren zu thün, das er wille. Aber das er etwas thü, das er nitt
wolle, das ist nit müglich. Dann er sich allweg ehe mag todten lassen. Und darumb
schlecht was629 der mensch redt oder thüt, was müß er zuvor auch wollen reden oder
wollen thün.
Das geschicht wol, das ainer etwan ain ding will um ains anderen willen, das er für
sich selb nit wille. Da sagt man, ainer thü ain ding ungern, mit unwillen, Als so ainer
sein leben müßte | [R 2 b] | losen vom feynd und darumb dem feynd alle seine narung
hingeben. Oder so ainer ettwan beschwarlich dienet in hoffnung reycher belonung.
Noch wenn ain sollicher entlich nit wolte, so gebe er sein güt nit hin, er dienet nit,
sturbe und verdurbe ehe; dann ainmal kan der mensch nit gezwungen werden, das er
etwas thü, das er gar nit wolle thün. Derhalb wirt man auch nieman künden zum
Gottesdienst noten über630 seinen willen.
Sinnp: Nun, wenn aber ainer nit solte für sich selb lust haben zum Gottesdienst,
sonder den allain üben, damit er aintweders ergers vermitte631 oder liebers erlangete, so
ware es doch ain grewel vor Got. Frid: Alßdann wäre es auch kain Gotsdienst. Darumb
sollen die obren thün als die vätter und vor allem sehen, das sy durch wort und alle
andere wege die lewt selb willig und lustig machen zü allen dem, das Gott wolgefallet
und unwillig und unlustig zü allem, das Got mißfallet. 632Und hiezü vermogen die
zeytiichen, bede, güthaten und straffen, eben vil. Darumb dann der Herr selb seinem
volck so vilfältig bede das zeytlich güt verhaisset, so sy im gehorsam und das zeitlich
boß trowet633, wenn sy im ungehorsam sein wollen, Levi. 2Ü[i ff.] und Deut. 28[i ff.].
Lieber, wa ain oberkait wäre, die die Gottsäligen recht bevor hette und verehrete und
die gottlosen auch nach irem werdt hielte, mässiget634 alle ehr und vortayl nach der
gotsäligkait, strafte mit aller strenge, was wider Got ymmer geredt oder gethon wurde,
Machete also, das alles ungotseligs thün seine schand und schaden hette und die gott-
säligkait alle ehr und nutz, Mainstu nicht, ain solche oberkait solte bald gar vil lewt zü
allem waren Gotsdienst gantz lustig und willig und zü allem falschen Gotsdienst gantz
unlustig und unwillig machen?

627. Ob der mensch auch moge gesywungen werden. [Marg.].
628. Das verhüte Gott.
629. Was auch immer.
630. Gegen.
631. Vermeide.
632. Wie die Oberkayt mit geytlichen guttaten und straffen %um Gotsdienste lustig mache. [Marg.].
633. Droht. In der Regel mit dem Dativ. Lexer 1, Sp. 469 (s. v. dröuwen).
634. Mißt ... ab.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften