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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 7): Schriften der Jahre 1538 - 1539 — Gütersloh, 1964

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https://doi.org/10.11588/diglit.29833#0083
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VON DER WAREN SEELSORGE

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sich in bestimmten Formen herausgebildet. Man konnte sich aber nicht
damit begnügen. Die täglichen geistlichen Auseinandersetzungen hatten
es Bucer gezeigt, daß er dem Anliegen zahlreicher Glieder der Gemeinde
wie auch derer, die jenseits des kirchlichen Grabens standen, entgegen-
kommen mußte. Die biblischen Argumente, die von dieser Seite an-
geführt wurden, beeindruckten ihn sehr. Er wollte und mußte weiter
fortschreiten zur »Erforschung des Lebens«, damit niemand sagte, man
wollte dem »hl.geyst rygel furschieben und nichts weiteres lernen noch
hören «.

Die Ansätze zur Verwirklichung des Vorsatzes der »Kirchenzucht«
finden wir in der Kirchenordnung von 1534 deutlich vor. Hier wurde
bereits bestimmt, daß ein aus sieben Personen bestehender Ausschuß
eingesetzt werden sollte, dem die Aufgaben der Aufsicht und Über-
prüfung des sittlichen Lebens in der Stadt übertragen wurde. Dieser
Ausschuß sollte bestehen: aus zwei Ratsmitgliedern, drei Kirchspiel-
pflegern und zwei Pfarrern. Dabei ist beachtlich, daß schon hier ver-
ordnet wird: die drei Kirchspielpfleger sollten an den wöchentlichen
Zusammenkünften der Pfarrer (Convocatz) jedesmal teilnehmen; sie
sollten also gleich diesen geachtet und als solche angesehen werden,
die eine geistliche Funktion zu erfüllen haben. Diese sollten auch in
der Lage sein »ob gesunder lere halten, den widersprecheren die
meüler verstopffen 39«.

Die Frage der Kirchenzucht hatte in den norddeutschen Kirchen der
Reformation von Anfang an auf der Tagesordnung gestanden. Luther
hat bereits im »Sermon von dem Bann« davon gesprochen, den er

1519 im Zusammenhang mit seinem Abendmahlssermon gehalten und

1520 veröffentlicht hat 40. Für ihn war es klar: wer schuldig geworden
ist, kann nicht zum Sakrament gehen. Aber nicht nur die innere Gemein-
schaft ist hier abgewiesen; auch die äußere Gemeinschaft mit der
Christenheit besteht in diesem Falle nicht mehr. Die kirchliche Obrig-
keit, wer sie auch sei, kann die innere Gemeinschaft mit Christus nicht
verbieten, wohl aber die äußere Gemeinschaft verwehren, wie es in
Mt 18,15 fr. gesagt ist und wie es die Apostel gelehrt haben. Der Bann
soll der Besserung dienen, eine Arznei sein. Er darf nicht zum Zwangs-
mittel und Machtinstrument in der Hand der Obrigkeit herabgewürdigt
werden. Luther war noch stark gegen die Unrechte Übung dieses
Rechtes in der römischen Kirche gerichtet. Aber er hatte auch stark
genug das Positive, wie es sich ihm aus der Schrift ergab, herausgestellt.
»Was Christus und die kirch thun, sollen wir uns lassen wol gefallen,
lieb haben und kindlich furchten 41«.

Luthers Auffassung vom christlichen Bann ist dann in die Kirchen-

39. Richter, a. a. O. I, S. 233. 40. WA 6,63fr. 41. Ebd. S. 71,1 f.
 
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