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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 7): Schriften der Jahre 1538 - 1539 — Gütersloh, 1964

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https://doi.org/10.11588/diglit.29833#0084
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8o

SCHRIFTEN DER JAHRE I 5 3 8—1 5 39

Ordnungen übergegangen, vor allem in die Braunschweiger Kirchen-
ordnung, die als Muster für so viele niederdeutsche Ordnungen diente,
aber auch für süddeutsche, wie zum Beispiel die von Schwäbisch-Hall.
Auch hier wird überall das Handeln der Kirchengemeinde bzw. ihrer
Amtsträger vom strafenden Handeln der weltlichen Obrigkeit deutlich
unterschieden. Im Zusammenhang mit dem Auftreten der Irrlehren ist
die evangelische Kirche dieser Jahrzehnte immer mehr genötigt gewesen,
um der Gemeinde willen die Kirchenzucht wahrzunehmen und zu üben.
Es wäre geschichtlich unrichtig und ungerecht, wollte man dieses
Moment vor allem den oberdeutschen, unter schweizerischem Einfluß
stehenden Gemeinden zuschreiben oder gar die Kirchenzucht zu ihrem
Kennzeichen machen. Auch da hat die praktische Lage die Gemeinde
gezwungen, im Laufe der Zeit strenger zu verfahren und der christlichen
Freiheit gewisse äußere Grenzen zu setzen. Die Auseinandersetzungen
der dreißiger Jahre hatten Luther genötigt, die römische Auffassung
des Bannes schärfer abzulehnen, andererseits aber auch in den eigenen
Gemeinden die positive Forderung der christlichen Zucht stärker zu
vertreten. Als Strafe für die öffentliche Sünde sieht der »Unterricht der
Visitatoren« ebenso Zurückweisung vom Abendmahl vor 42. Am ein-
gehendsten behandelt aber Luther das Problem der Kirchenzucht erst
in seiner Schrift »Von den Konziliis und Kirchen« (1539) 43.

Die Toleranz, die die Stadt Straßburg jahrelang allen Glaubens-
richtungen gegenüber walten ließ, hatte in der Kirche zu unerfreulichen
Zuständen geführt. Bereits vor der Synode von 1533 hatte Bucer es
deutlich gesehen, daß diese Verhältnisse gefährlich seien und zu schlim-
men Folgen führen mußten. In seinem Brief an Ambrosius Blarer vom
20. Februar 1531 hatte er schon geäußert: »Wir bedürfen unbedingt
einer gewissen Kirchenzucht 44«. Dieselben Gedanken finden wir in den
Briefen vom 5. März 1532 und 18. April 1532 noch weiter ausgeführt:
»Nichts ist beklagenswerter als das Verlassen der Kirchenzucht: Wohin
werden wir ohne sie treiben? 45.« Die Buße wird nicht mehr gepredigt,
den Häretikern wird alles erlaubt; die Folge davon ist: »nulla fere est
ecclesia, nulla verbi authoritas, nullus sacramentorum usus 40«.

Als die städtischen Vertreter es einsahen, daß in kirchlicher Beziehung
etwas geschehen müßte, ließen sie es wohl zu, daß die Kirche von Straß-
burg sich bestimmte kirchliche Ordnungen gab. Aber alle Wünsche
durchzusetzen, gelang der Kirche nicht. Die Zustimmung des Rats zu
den Gedanken, die Bucer bereits damals für notwendig hielt, war nicht

42. WA 26, 233, 24fr.

43. WA 50, 5 09 ff.

44. Schieß I, S. 245.

45. Ebd. S. 329.

46. Ebd. S. 338.
 
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