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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 7): Schriften der Jahre 1538 - 1539 — Gütersloh, 1964

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https://doi.org/10.11588/diglit.29833#0182
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SCHRIFTEN DER JAHRE I 5 3 8-1 5 3 9

Da die Bischöjf hoffleüt
worden, ist die rechte Bäß
und aller Bischöflicher
dienst verfallen.

178

der nicht anders ist, dann [66 (S 2) a] nachgebung solicher uffgesetzten
büß von der Kirchen.

Also ist ein mißbrauch auß dem anderen für und für erwachsen und
eingefüret worden durch die farlessigkeit der Bischöffe; Welche auch
zü der zeit, da sie den sünden die büß also wie weltliche straffen für- 5
geschriben, schon angefangen hatten, sich mehr zü Hoffe dann bei der
Kirchen finden zü lassen und weltlicher regierung weiters, dann der
seelsorge zü beladen. Das dann angehebt hat, da die Francen als der
groß Key. Carle und seine nachkomnen geregieret haben, nemlich umb
das achthundertst jar nach Christi gebürt und hernaher 277. 10

Von diser zeit her ist die verkerung der büß 27§, wie auch anderer
wercken der seelsorge, imer je meer eingerissen, biß es der Büß halben
dazü körnen ist, das man die öffentliche büß nieman uflferlegt hat, dann
den mütwilligen todschlegeren, reubern und brennern, ketzern (und
doch auch nit allen) und den gemeinen weibern, wann sie von irem 15
verlossenen wesen haben wollen abstohn. Dasselbige ist dann auch mehr
zü einem gepreng, dann artznei der seelen gerathen 1. Wiewol diß nun
fast auch abgoht und bleibt von aller büß nicht meer, dann das sie den
leüten in der beicht ettliche gepett, messen, walfart, etwan auch fasten
und almüsen uflflegen. Uff die wäre und gleubige rewe aber tringen sie 20
wenig; Wie das leider an den Beichtvättern und beichtkindern züfil
gröblich bescheineti 279.

Dise verkerung und gantzes abthün der heilsamen büß ist anfenglich
alles daher kommen, das die Seelsorger meer uff die eusseren werck,
dann uff den waren glauben und die hertzliche rewe gesehen [66 (S 2) b] 25
und getrungen haben. Die eusseren werck, wie ernstlich die sind, mag
ein jeder leisten, wäre rewe und besserung kan nieman leisten, dann der
sich durch waren glauben Christo unserem Herren gentzlich ergibt, das
in im auß der warbrinnenden liebe k und begird, dem willen Gottes zü
geleben, haß der sünden und ein eifer, alle sündliche lüst und begirden 30
zü creützigen und zü tödten, entstände und anbrenne. Diser glaub nun,
liebe und eifer ist leider nit bei filen; Daher auch der h. Ambrosius
schreibt, er hab leichter gefunden, die sich in der Unschuld gehalten

i) Atque id magis eveniebat ad ostentationem et inanem ceremoniam, quam
animarum medicinam. — j) plus satis, proh dolor, conspicitur. — k) ex vere ardenti
charitate.

277. Die Heranziehung der Bischöfe zur weltlichen Verwaltung unter Karl d. Gr.
(vgl. A. Hauch: Kirchengeschichte Deutschlands II. S. 242ff.) ist nur geringfügig.
In starkem Maße erfolgt sie erst seit Konrad I. und unter den sächsischen Kaisern.

278. Über den Wandel im Bußwesen vgl. K. Müller in: Theologische Abhand-
lungen für C. Weizsäcker. 1892.

279. Erscheinten, sich zeigten; Grimm I, Sp. 1559.
 
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