Metadaten

Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 7): Schriften der Jahre 1538 - 1539 — Gütersloh, 1964

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29833#0582
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
578

SCHRIFTEN DER JAHRE I 5 3 8-1 539

nicht mehr halten kundten, dadurch dann auch ire Zuhörer zu erkantnis
und danckbarkeit Gottes und seiner güte angereitzet, erinnert und
lustig gemacht würden 1. Dergleichen haben sie das gesang 2 auch zu
irem gotseligen klagen, betten, verkünden, lehren, weissagen und
ermanen gebraucht. Dann sie in irem thün gantz warhafftig, ernsthafftig 5
und andechtig ire klag, gebet, Verkündung, lehre, Weissagung und
ermanung alweg aus vollem und aufquellendem hertzen gegossen haben,
auch allemal recht ernstlich begeret, ir götlichs fürhaben anderen zu
hertzen zü füren und zu solchem erhitzigen und begirig zü machen.

Zü welchem bede, die Music und das gesang, von Got geordnet und io
nicht allein gantz lustig und anmütig, sonder auch wunderkrefftig und
gewaltig ist. Demnach des menschen art und natur so gestaltet ist, das
in zü allerlei anmütigkeit, es seien freude, leid, liebe, zorn, geistlich
andacht, leichtfertige wildikeit und was der affect und beweglicheiten
sind, nichs so gewaltig beweget, als artliche Musicgesang und seitenspil, 15
aus warer kunst auf solche anmütigkeiten und affection gerichtet. Daher
dan körnet, wa dem menschen etwas besonders angelegen und sie be-
hertziget 3, dem sie gern fil nachdencken und imer mit umbzügehn lust
haben, und daher auch gern zürichten, wie sie köndten, das solichs, wie
inen also auch anderen bekant, angelegen und hertzlich würde, das sie 20
gleich von solchen hendlen begeren Lieder zü machen, auf das davon
nicht allein gesagt, sonder auch gesungen und dadurch den leuten alles
desto gründtlicher zü hertzen gebracht und eingelassen werde.

Seitemal dann uns, wie die alten lieben freunden Gottes, ja so fil
mehr, so fil uns Got der Vatter seinen Son, unseren Herren Jesum Chri- 25
stum weiter zü erkennen geben hat, nichts so tieff, ja nichts anders
überal zü hertzen gehn und angelegen sein solle, dann das götliche,
wie wir ihn, unsern schöpffer und Vatter, recht erkennen, lieben, loben
und preisen durch Jesum Christum, unsern Herren und erlöser, und
hiezü meniglich reitzen und bewegen, so solte die Music, alles gesang 30
und seitenspil (welche vor anderen dingen das gemüt zü bewegen,
hefftig und hitzig zü machen, mechtig sind) nirgend anders, dann zü
götlichem lob, gebet, lehre und ermanung gebrauchet werden.

Wir sollen je Got von gantzem hertzen, gantzer seel und allen
krefften lieben. Wa wir nun solch Liebe hetten, würden wir eigentlich, 35
wie S. Paulus lehret, 1. Cor. X [31] und Coloss. III [17]: wir ehssen
oder trehncken, oder was wir sunst imer anfiengen oder fürnemen in
Worten oder wercken, alles im namen unsers Herren Jesu Christi zum
preis Gottes anfahen, fürnemen und handlen, Got dem Vatter danck-

1. Vgl. zum Beispiel Ps 33, 3; 89,2; 92,5; 96,1 f.u.ö. Eph 5,19!.; Col 3,16.

2. Gesang wird im Frühneuhochdeutschen noch vielfach als Neutrum gebraucht.

3. Ihr Herz einnimmt.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften