Schließlich läßt sich bei den Steindenkmälern in gotischer Minuskel noch eine letzte Gruppe er-
fassen, in der die Großbuchstaben bereits dem Frakturalphabet entnommen sind; sie reicht etwa
mit den Nummern 168-278 von 1537-86. Hier werden auch die Buchstaben wieder diinner, ohne
aber die Grassersche Eleganz zu besitzen.
Von den Glockengießern wurde die gotische Minuskel von 1421—1525 verwendet. Sie trat an die
Stelle der gotischen Majuskel und wurde von der Kapitalis abgelöst, deren erstes Beispiel von 1559
überliefert ist; zwischen 1523 und 1559 ist keine Glocke bekannt. Die älteren Gießer, Heinrich Cin-
gießer und Hans Diepold, Nr. 21 von 1424 und Nr. 35 von 1456, verwendeten offenbar Holzmodeln,
die breite flächige Buchstaben ergeben. Die Modeln sind wenig sorgfältig angebracht, so daß die
Schriften grob und unschön wirken. Meister Pauls, der in den Jahren 1451, 1452 und 1460 für die
Frauenkirche, St. Georg-Bogenhausen und Kloster Tegernsee goß, Nr. 51, 53, 58, hat bereits Wachs-
modeln, die eine regelmäßigere Schrift ermöglichen. Leider haben seine hier überlieferten Glocken
erhebliche Witterungsschäden erlitten, die ein sicheres Urteil über die Qualität seiner Schrifttypen
kaum zulassen. Die Bügel der Krone sind alle als männliche mit einer Gugel bekleidete Köpfe ge-
formt.
Von 1473-1504 reicht die Überlieferung Ulrichs von Rosen, des bedeutendsten Münchner
Glockengießers der Spätgotik. Seine Schriften wirken harmonisch, selbst wenn sie bei den ersten
Glocken nicht ganz zeilengerecht sitzen; die Buchstaben sind elegant geformt, c, r und t haben einen
Zierstrich. Oben wurde bereits erwähnt, daß Großbuchstaben vereinzelt aus der Frühkapitalis ent-
nommen sind. Besonders abwechslungsreich sind die Ornamentierung des die Inschrift begleitenden
Rahmens und die Bildmodeln gestaltet; sein Prunkstück ist die 1492 für die Frauenkirche gegossene
Glocke, Nr. 86. Die Bügel der Kronen sind in Art geflochtener Zöpfe geformt; diese Art wurde von
allen späteren Münchner Glockengießern bis 1650 beibehalten. Der Augsburger Gießer Steffan
Wiga (Wiggau) goß 1475 eine Glocke für die Wallfahrtskirche zu Hofolding, Nr. 50. Seine Buch-
staben zeigen eine völlig andere Art der Formung, sie wirken wie gedrehte Bänder, deren Ränder
dicker sind als die Mitte. Die Bügel der Krone sind als bärtige männliche Köpfe geformt.
Hans Ernst, der 1490 unter historisch interessanten Umständen aus Regensburg eine Glocke für
die Frauenkirche lieferte, Nr. 78, wendete bei der Formung der Buchstaben ein sonst hier nicht
festgestelltes Verfahren an, bei dem die einzelnen Buchstaben auf kleinen Rechtecken sitzen.
Eine Glocke unbekannter Herkunft im Stadtmuseum von 1514, Nr. 134, zeigt genau die glei-
chen Buchstaben- und Schmuckformen wie die Glocken Ulrichs von Rosen, besonders etwa die von
Ramersdorf 1482, Nr. 62 und 63, und von Pasing 1492, Nr. 87, nennt aber nicht mehr seinen Na-
men; es wird zu vermuten sein, daß der Meister zwischen 1504 und 1514 gestorben ist, daß aber
seineWerkstatt weitergeführt wurde. Mit der lateinischen Sprache stand der unbekannte Nachfolger
allerdings auf Kriegsfuß. Die beiden letzten mit gotischer Minuskel überlieferten Glocken von 1516,
Nr. 137, und 1523, Nr. 149, stehen sichtlich in der Nachfolge Ulrichs von Rosen. Erstere stammt
möglicherweise auch noch aus seiner Werkstatt, letztere aber nennt wieder einen Gießer, Lenhart
Keller, Bürger zu München. Seine Buchstaben sind gröber geformt und unsauber ausgeputzt.
Im Bereich der Malerei ist die Überlieferung recht spärlich; sie reicht von den Wandgemälden
aus dem Alten Hof vor 1470, Nr. 44, bis zu dem Totenschild des Hans Ligsaltz von 1538, Nr. 17 1.
Bei der Beurteilung dieser Inschriften ist jedoch immer größte Vorsicht am Platze, da die Restaurie-
rungen des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts oft sehr willkürlich mit den Schriften verfuhren.
So müssen die Inschriften der Totenschilde und die der Weihetafel von Pipping 1480/1848, Nr. 55,
die manche abenteuerliche Buchstabenformen aufweisen, hier völlig außer Betracht bleiben. Auch
die Wandgemälde aus dem Alten Hof können nur mit Vorbehalt herangezogen werden. Die wenigen
zur Beurteilung geeigneten Inschriften lassen in dem engen Zeitraum natürlich kaum eine Diffe-
renzierung zu; hier wird sich, ebenso wie auf dem Gebiet der Glasmalerei sowie dem der Klein-
kunst, Ausführlicheres vielleicht anläßlich der Veröffentlichung des in Sammlungen lagernden Ma-
terials sagen lassen.
Erwähnt sei noch, daß die Abzeichnung des Reliquienschatzes von Andechs aus Blutenburg von
1497, Nr. 96, das einzige erhaltene Beispiel gotischer Kursive bietet, und daß die Kirche von Pipping
uns die einzigen mittelalterlichen Wandkritzeleien überliefert hat, die freilich keine eigentlichen
Inschriften sind, Nr. 108.
Die Fraktur
Am Anfang des 16. Jahrhunderts entwickelte der Buchdruck eine neue Schriftform, die als
Fraktur bezeichnet wird und als eine ausgesprochen deutsche Schriftart bis zur Gegenwart in Ge-
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fassen, in der die Großbuchstaben bereits dem Frakturalphabet entnommen sind; sie reicht etwa
mit den Nummern 168-278 von 1537-86. Hier werden auch die Buchstaben wieder diinner, ohne
aber die Grassersche Eleganz zu besitzen.
Von den Glockengießern wurde die gotische Minuskel von 1421—1525 verwendet. Sie trat an die
Stelle der gotischen Majuskel und wurde von der Kapitalis abgelöst, deren erstes Beispiel von 1559
überliefert ist; zwischen 1523 und 1559 ist keine Glocke bekannt. Die älteren Gießer, Heinrich Cin-
gießer und Hans Diepold, Nr. 21 von 1424 und Nr. 35 von 1456, verwendeten offenbar Holzmodeln,
die breite flächige Buchstaben ergeben. Die Modeln sind wenig sorgfältig angebracht, so daß die
Schriften grob und unschön wirken. Meister Pauls, der in den Jahren 1451, 1452 und 1460 für die
Frauenkirche, St. Georg-Bogenhausen und Kloster Tegernsee goß, Nr. 51, 53, 58, hat bereits Wachs-
modeln, die eine regelmäßigere Schrift ermöglichen. Leider haben seine hier überlieferten Glocken
erhebliche Witterungsschäden erlitten, die ein sicheres Urteil über die Qualität seiner Schrifttypen
kaum zulassen. Die Bügel der Krone sind alle als männliche mit einer Gugel bekleidete Köpfe ge-
formt.
Von 1473-1504 reicht die Überlieferung Ulrichs von Rosen, des bedeutendsten Münchner
Glockengießers der Spätgotik. Seine Schriften wirken harmonisch, selbst wenn sie bei den ersten
Glocken nicht ganz zeilengerecht sitzen; die Buchstaben sind elegant geformt, c, r und t haben einen
Zierstrich. Oben wurde bereits erwähnt, daß Großbuchstaben vereinzelt aus der Frühkapitalis ent-
nommen sind. Besonders abwechslungsreich sind die Ornamentierung des die Inschrift begleitenden
Rahmens und die Bildmodeln gestaltet; sein Prunkstück ist die 1492 für die Frauenkirche gegossene
Glocke, Nr. 86. Die Bügel der Kronen sind in Art geflochtener Zöpfe geformt; diese Art wurde von
allen späteren Münchner Glockengießern bis 1650 beibehalten. Der Augsburger Gießer Steffan
Wiga (Wiggau) goß 1475 eine Glocke für die Wallfahrtskirche zu Hofolding, Nr. 50. Seine Buch-
staben zeigen eine völlig andere Art der Formung, sie wirken wie gedrehte Bänder, deren Ränder
dicker sind als die Mitte. Die Bügel der Krone sind als bärtige männliche Köpfe geformt.
Hans Ernst, der 1490 unter historisch interessanten Umständen aus Regensburg eine Glocke für
die Frauenkirche lieferte, Nr. 78, wendete bei der Formung der Buchstaben ein sonst hier nicht
festgestelltes Verfahren an, bei dem die einzelnen Buchstaben auf kleinen Rechtecken sitzen.
Eine Glocke unbekannter Herkunft im Stadtmuseum von 1514, Nr. 134, zeigt genau die glei-
chen Buchstaben- und Schmuckformen wie die Glocken Ulrichs von Rosen, besonders etwa die von
Ramersdorf 1482, Nr. 62 und 63, und von Pasing 1492, Nr. 87, nennt aber nicht mehr seinen Na-
men; es wird zu vermuten sein, daß der Meister zwischen 1504 und 1514 gestorben ist, daß aber
seineWerkstatt weitergeführt wurde. Mit der lateinischen Sprache stand der unbekannte Nachfolger
allerdings auf Kriegsfuß. Die beiden letzten mit gotischer Minuskel überlieferten Glocken von 1516,
Nr. 137, und 1523, Nr. 149, stehen sichtlich in der Nachfolge Ulrichs von Rosen. Erstere stammt
möglicherweise auch noch aus seiner Werkstatt, letztere aber nennt wieder einen Gießer, Lenhart
Keller, Bürger zu München. Seine Buchstaben sind gröber geformt und unsauber ausgeputzt.
Im Bereich der Malerei ist die Überlieferung recht spärlich; sie reicht von den Wandgemälden
aus dem Alten Hof vor 1470, Nr. 44, bis zu dem Totenschild des Hans Ligsaltz von 1538, Nr. 17 1.
Bei der Beurteilung dieser Inschriften ist jedoch immer größte Vorsicht am Platze, da die Restaurie-
rungen des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts oft sehr willkürlich mit den Schriften verfuhren.
So müssen die Inschriften der Totenschilde und die der Weihetafel von Pipping 1480/1848, Nr. 55,
die manche abenteuerliche Buchstabenformen aufweisen, hier völlig außer Betracht bleiben. Auch
die Wandgemälde aus dem Alten Hof können nur mit Vorbehalt herangezogen werden. Die wenigen
zur Beurteilung geeigneten Inschriften lassen in dem engen Zeitraum natürlich kaum eine Diffe-
renzierung zu; hier wird sich, ebenso wie auf dem Gebiet der Glasmalerei sowie dem der Klein-
kunst, Ausführlicheres vielleicht anläßlich der Veröffentlichung des in Sammlungen lagernden Ma-
terials sagen lassen.
Erwähnt sei noch, daß die Abzeichnung des Reliquienschatzes von Andechs aus Blutenburg von
1497, Nr. 96, das einzige erhaltene Beispiel gotischer Kursive bietet, und daß die Kirche von Pipping
uns die einzigen mittelalterlichen Wandkritzeleien überliefert hat, die freilich keine eigentlichen
Inschriften sind, Nr. 108.
Die Fraktur
Am Anfang des 16. Jahrhunderts entwickelte der Buchdruck eine neue Schriftform, die als
Fraktur bezeichnet wird und als eine ausgesprochen deutsche Schriftart bis zur Gegenwart in Ge-
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