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Neumüllers-Klauser, Renate [Oth.]; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Contr.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Contr.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Contr.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Contr.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Contr.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 12 : Heidelberger Reihe ; Band 4): Die Inschriften der Stadt und des Landkreises Heidelberg — Stuttgart: Druckenmueller, 1970

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https://doi.org/10.11588/diglit.52965#0017
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1225 belehnte Bischof Heinrich von Worms Pfalzgraf Ludwig I. offiziell mit Schloß und Stadt Heidelberg
und besiegelte damit einen wohl schon länger bestehenden Rechtszustand. Die bayerische Landesteilung
von 1255 und der Hausvertrag von Pavia von 1329 sind weitere Marksteine, die die Verfestigung der
wittelsbachischen Herrschaft in der Pfalzgrafschaft bei Rhein bezeichnen. Um 1300 wurde - wahrscheinlich
auf dem Platz der heutigen Molkenkur - eine zweite Burg errichtet, die 1537 nach einem Blitzschlag
- sie diente damals als Pulvermagazin - völlig zerstört wurde; eine Inschrift aus dieser Burg ist literarisch
überliefert (nr. 170)3). Erste Klosterniederlassungen entstanden: 1268 das Franziskanerkloster, damals noch
vor den Mauern der Stadt, 1279 das Kloster der Augustiner-Eremiten. Die bereits befestigte Stadt unter-
halb der Burgen litt Ende des 13.Jahrhunderts stark unter Überschwemmung und Feuersbrunst; als aber
1301 die Rheinpfalz durch die Truppen König Albrechts im Kampf gegen Pfalzgraf Rudolf schwer ver-
wüstet wurde, widerstand die Burg mit dem ummauerten Stadtkern dem Ansturm der Feinde. Pfalzgraf
Ruprecht I. versuchte 1357, die wirtschaftliche Bedeutung der Stadt durch eine Messe zu beleben und zu
festigen, ein Plan, der durch die Nähe von Frankfurt zum Scheitern verurteilt war. Erst die Universitäts-
gründung des Jahres 1386 brachte für Heidelberg den großen und bleibenden Aufschwung und verlieh
der Stadt Bedeutung weit über ihre Stellung als Residenz und Zentrum der Kurpfalz hinaus. Die Voraus-
setzungen für die Gründung Kurfürst Ruprechts II. waren denkbar günstig: das große abendländische
Schisma war Anlaß dafür, daß eine bedeutende Zahl Gelehrter und Scholaren, die in der Obedienz Papst
Urbans VI. verharrten, die Pariser Hochschule verließ und sich zur Weiterführung von Lehre und
Studium an andere Hochschulen wandte. Marsihus von Inghen, ein Niederländer, der in Paris zweimal
das Amt des Rektors bekleidet hatte, folgte der Berufung des Kurfürsten nach Heidelberg und wurde
der eigentliche Spiritus rector der Universitätsgründung. Als erster Angehöriger der neuen Hochschule
fand er 1396 seine Grabstätte in der Peterskirche (nr. 63); sie gewährte später allen Professoren der Univer-
sität das Recht auf Beisetzung in ihren Mauern4).
Residenz und Universität sind in Zukunft nicht mehr voneinander zu trennen, ihre Schicksale beein-
flussen sich wechselseitig. Ihre dominierende Rolle ist als entscheidende Ursache dafür anzusehen, daß sich
das Bürgertum ihnen gegenüber nicht zu behaupten vermochte. Seine wenigen führenden Vertreter saßen
im Stadtregiment oder standen als Beamte in kurfürstlichen Diensten, wie etwa Arnold Rype, der Bau-
meister der Heiliggeistkirche, oder Alexander Bellendörfler, Protonotar und Kanzler Kurfürst Philipps
des Aufrichtigen, der einer Familie des Heidelberger Patriziats entstammte (nr. 206). Neben den wenigen
Patrizierfamilien, bei denen auch eine starke Fluktuation auffällig ist, bestimmten die zünftig organisierten
Handwerker das städtische Leben. Für sie bot sich am Hof und im Zusammenhang mit der Universität
ein reiches Betätigungsfeld. Kaufleute aber, die große Handelsgeschäfte betrieben und so ein bedeuten-
des Vermögen ansammelten, gab es in Heidelberg nicht; treten sie einmal hervor, wie etwa zu Ende des
16. Jahrhunderts Charles Belier, der Erbauer des „Ritter“ (nr. 449), so waren es Zugewanderte, die ihre
Handelsverbindungen und die Grundlage ihres Gewerbes bereits gelegt hatten, um es von Heidelberg
aus unter veränderten Umständen weiterzuführen. Dieses völlige Fehlen eines standesbewußten Bürger-
tums läßt sich an der hier vorgelegten Edition deutlich ablesen: die in großer Zahl überlieferten Grab-
inschriften sind überwiegend Grabinschriften von Mitgliedern des Hofes oder Angehörigen der Univer-
sität und von Studenten; einen kleinen Anteil stellen auch Handwerker, während Vertreter des Bürger-
tums nur sehr selten erscheinen.
Ihren ersten Höhepunkt erreichte die pfälzische Territorialmacht in der zweiten Hälfte des 15.Jahr-
hunderts unter der Regierung Kurfürst Friedrichs des Siegreichen. Seine zahlreichen Kriege brachten der
Pfalz reichen Gebietszuwachs, berührten die Stadt Heidelberg selbst aber nicht; in ihr konnte sich unge-
stört am Hof und — in weitaus geringerem Maße — an der Universität eine erste Blütezeit frühhumanisti-
schen Geisteslebens entfalten. Auch in den ersten beiden Jahrzehnten der Regierung Kurfürst Philipps
des Aufrichtigen war der Hof ein Zentrum humanistischer Bildung, deren eifrigster Förderer der Kanzler
und Wormser Bischof Johann von Dalberg war; in seinem Hause weilte Rudolf Agricola, der während
seines Aufenthaltes in Heidelberg verstarb und in der Franziskanerkirche bestattet wurde (nr. 233),
Reuchlin, Geltes und Wimpheling fanden sich mit ihm zur „Sodalitas litteraria Rhenana“ zusammen,
der auch zahlreiche auswärtige Gelehrte angehörten, unter ihnen Johann Trithemius, Willibald Pirkheimer
und Konrad Peutinger5).
Die vorübergehende Schwächung der Pfalz während des bayerisch-pfälzischen Erbfolgekriegs (1503 bis
1508), der das Land ringsum verwüstete und allein die Residenzstadt verschonte, wurde abgelöst durch die
friedlichen Regierungsjahre Kurfürst Ludwigs V. und seines Bruders Kurfürst Friedrichs II., in denen

3) Die Frage, welche der beiden Burgen als die ältere anzusehen ist, scheint bis heute nicht endgültig geklärt,
vgl. dazu Amtl. Kreisbeschreibung II 20.
4) Vgl. dazu unten Anm. 8.
5) Zusammenfassend darüber R.Benz, Heidelberg - Schicksal und Geist, Konstanz 1961, 72t!.

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