Heidelberg Glanzzeiten des Hofes erlebte. Sie spiegelten sich vor allem wider in der regen und fast un-
unterbrochenen Bautätigkeit auf dem Schloß, das erst unter Kurfürst Ludwig V. seine heutige Ausdeh-
nung erhielt. In der Stadt ist Ludwig V. als Bauherr des Zeughauses, des heutigen Marstalls, zu nennen;
die Heiliggeistkirche, deren Neubau bereits unter Ruprecht III. begonnen worden war, wurde unter
Ludwig V. durch den Bau des Westturms vollendet (nr. 194).
Die Reformation, unter Kurf ürst Friedrich II. behutsam, unter Kurfürst Ottheinrich in den drei kurzen
Jahren seiner Regierung schließlich zielstrebig durchgeführt, bewirkte für Heidelberg tiefgreifende Ver-
änderungen. Politisch gesehen führte sie die Pfalz für kurze Zeit in die Stellung absoluter Vorherrschaft
im protestantischen Lager, bis schließlich die unheilvolle Verflechtung der Schicksale Kurfürst Friedrichs V.
als Führers der protestantischen Union die Katastrophe über die Pfalz heraufbeschwor. Dem geistigen Le-
ben Heidelbergs brachte die neue Glaubenslehre kräftige Impulse, zumal seit die tiefgreifende Reformie-
rung der Universität unter Ottheinrich die Relikte spätmittelalterlich-scholastischen Unterrichts endgültig
beseitigte und ihre Entwicklung zur protestantischen Landeshochschule in die Wege leitete. Als unter
Kurfürst Friedrich III. aus dem Hause Pfalz-Simmern die Pfalz zum Calvinismus überging (1563), wurde
die theologische Fakultät zur calvinistischen Hochburg Westeuropas, der auch das kurze Regiment Kur-
fürst Ludwigs VI., der das orthodoxe Luthertum wiedereinzuführen suchte, keinen wesentlichen Eintrag
tat. Unlösbar verbunden mit dieser Vormachtstellung war freilich auch ein anderes: eine ernüchternde
Punfizierung und Verarmung der sakralen Gebäude Heidelbergs und der Pfalz, die sich noch heute - und
gerade im Rahmen der hier vor gelegten Veröffentlichung - spiegelt. Em Vergleich der kargen erhaltenen
Bestände mit dem vergleichbarer Gebiete läßt ermessen, was an Kirchenschätzen und Ausstattungsstücken,
an Altären und Votivtafeln zugrundegegangen sein muß, als zunächst unter Kurfürst Ottheinrich, später
und noch entschiedener unter Friedrich IIP, der Bildersturm - oft von den Fürsten und ihren Geistlichen
selbst angeführt - über das Land ging6). Was der Zerstörung nicht anheimfiel, wurde verkauft und ver-
schleudert. Plastik, Malerei und Werke der Kleinkunst in kirchlichem Besitz fielen fast ausnahmslos falsch
verstandenem Glaubenseifer zum Opfer. Dem Bildersturm ist es höchstwahrscheinlich auch zuzuschreiben,
daß im Bearbeitungsgebiet keine Epitaphien im engeren Sinne, d.h. Totengedächtnistafeln mit religiösen
Darstellungen zu finden sind: sic wurden eben um dieser religiösen Darstellungen willen vernichtet. Ihr
Fehlen ist also nur durch äußere Gegebenheiten bedingt und darf keinesfalls als Charakteristikum einer
Landschaft gelten. Das beweisen zur Genüge unmittelbar benachbarte Gebiete, in denen diese Monumente
erhalten blieben.
Die Regierungsjahre Kurfürst Ludwigs VI., des Administrators Pfalzgraf Johann Casimir und Kur-
fürst Friedrichs IV. brachten - sieht man ab von dem Versuch des Religionswechsels unter Ludwig VE,
der jedoch Episode blieb - nochmals eine Blütezeit kulturellen und geistigen Lebens, stark geprägt von
dem Einfluß zahlreicher Emigranten aus Frankreich und den Niederlanden, die schon seit der Regierung
Friedrichs III. zunehmend in der Pfalz Zuflucht suchten (nr. 328, 391, 449, 473, 559, 598). Auf dem Schloß
entstanden die Prunkfassaden des Fnedrichsbaues und des Gläsernen Saalbaues, Friedrich V. errichtete im
ehemaligen Stückgarten das Elisabethentor und begann mit der Umgestaltung der Schloßterrassen zum
Hortus Palatinus. In der Stadt ließ Pfalzgraf Johann Casimir für die Universität den Neubau des Casimi-
rianums errichten (nr. 418, 436) und errichtete beim Zeughaus den - heute zerstörten - kurfürstlichen
Marstall.
Die Pfalz war in dieser Zeit ein bestimmender Faktor in der Politik des Reichs und der angrenzenden
Länder; sie war es verstärkt, seit die Heirat Kurfürst Friedrichs V. mit Elisabeth Stuart, der Tochter König
Jakobs von England, zum politischen Bündnis der Union mit England noch die familiäre Bindung gefügt
hatte. Zugleich lag hier aber auch die Ursache der großen Katastrophe, die 1619 kurz nach der Annahme
der böhmischen Krone durch Kurfürst Friedrich V. über das Land kam. Der böhmische Krieg ergriff auch
die Stammlande des Fürsten; 1620 wurde die untere Pfalz bis auf wenige befestigte Städte von spanischen
Truppen besetzt, 1622 erstürmten die Truppen der Liga die Residenzstadt Heidelberg, Plünderung,
Brandschatzung und Verwüstung waren die Folge. Auf Jahre und Jahrzehnte hinaus lag das geistige und
kulturelle Leben der Stadt und des Umlandes brach, die Universität mußte ihren Vorlesungsbetrieb völlig
einstellen, der Hof war dem Kurfürsten ins holländische Exil gefolgt. Nur wenige Denkmäler zeugen
unmittelbar vom Kriegsgeschehen, wie der Grabstein des schwedischen Wachtmeisters Abraham Meppel
auf dem Schloß (nr. 615). Die geringe Zahl der aus den letzten drei Jahrzehnten des hier berücksichtigten
Zeitraumes überlieferten Denkmäler spricht eine um so beredtere Sprache.
Den Neubeginn nach dem Dreißigjährigen Kriege bezeichnet die Restitution Kurfürst Karl Ludwigs,
des ältesten Sohnes Kurfürst Friedrichs V., in die pfälzischen Erblande, von denen nur die Oberpfalz end-
gültig an Bayern überging. Im Oktober 1649 zog der neue Kurfürst in seine verwüstete Residenz ein.
6) H. Rott, Kirchen- und Bildersturm bei der Einführung der Reformation in der Pfalz, in: NAHeidelberg 6
(1905) 229ff.
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unterbrochenen Bautätigkeit auf dem Schloß, das erst unter Kurfürst Ludwig V. seine heutige Ausdeh-
nung erhielt. In der Stadt ist Ludwig V. als Bauherr des Zeughauses, des heutigen Marstalls, zu nennen;
die Heiliggeistkirche, deren Neubau bereits unter Ruprecht III. begonnen worden war, wurde unter
Ludwig V. durch den Bau des Westturms vollendet (nr. 194).
Die Reformation, unter Kurf ürst Friedrich II. behutsam, unter Kurfürst Ottheinrich in den drei kurzen
Jahren seiner Regierung schließlich zielstrebig durchgeführt, bewirkte für Heidelberg tiefgreifende Ver-
änderungen. Politisch gesehen führte sie die Pfalz für kurze Zeit in die Stellung absoluter Vorherrschaft
im protestantischen Lager, bis schließlich die unheilvolle Verflechtung der Schicksale Kurfürst Friedrichs V.
als Führers der protestantischen Union die Katastrophe über die Pfalz heraufbeschwor. Dem geistigen Le-
ben Heidelbergs brachte die neue Glaubenslehre kräftige Impulse, zumal seit die tiefgreifende Reformie-
rung der Universität unter Ottheinrich die Relikte spätmittelalterlich-scholastischen Unterrichts endgültig
beseitigte und ihre Entwicklung zur protestantischen Landeshochschule in die Wege leitete. Als unter
Kurfürst Friedrich III. aus dem Hause Pfalz-Simmern die Pfalz zum Calvinismus überging (1563), wurde
die theologische Fakultät zur calvinistischen Hochburg Westeuropas, der auch das kurze Regiment Kur-
fürst Ludwigs VI., der das orthodoxe Luthertum wiedereinzuführen suchte, keinen wesentlichen Eintrag
tat. Unlösbar verbunden mit dieser Vormachtstellung war freilich auch ein anderes: eine ernüchternde
Punfizierung und Verarmung der sakralen Gebäude Heidelbergs und der Pfalz, die sich noch heute - und
gerade im Rahmen der hier vor gelegten Veröffentlichung - spiegelt. Em Vergleich der kargen erhaltenen
Bestände mit dem vergleichbarer Gebiete läßt ermessen, was an Kirchenschätzen und Ausstattungsstücken,
an Altären und Votivtafeln zugrundegegangen sein muß, als zunächst unter Kurfürst Ottheinrich, später
und noch entschiedener unter Friedrich IIP, der Bildersturm - oft von den Fürsten und ihren Geistlichen
selbst angeführt - über das Land ging6). Was der Zerstörung nicht anheimfiel, wurde verkauft und ver-
schleudert. Plastik, Malerei und Werke der Kleinkunst in kirchlichem Besitz fielen fast ausnahmslos falsch
verstandenem Glaubenseifer zum Opfer. Dem Bildersturm ist es höchstwahrscheinlich auch zuzuschreiben,
daß im Bearbeitungsgebiet keine Epitaphien im engeren Sinne, d.h. Totengedächtnistafeln mit religiösen
Darstellungen zu finden sind: sic wurden eben um dieser religiösen Darstellungen willen vernichtet. Ihr
Fehlen ist also nur durch äußere Gegebenheiten bedingt und darf keinesfalls als Charakteristikum einer
Landschaft gelten. Das beweisen zur Genüge unmittelbar benachbarte Gebiete, in denen diese Monumente
erhalten blieben.
Die Regierungsjahre Kurfürst Ludwigs VI., des Administrators Pfalzgraf Johann Casimir und Kur-
fürst Friedrichs IV. brachten - sieht man ab von dem Versuch des Religionswechsels unter Ludwig VE,
der jedoch Episode blieb - nochmals eine Blütezeit kulturellen und geistigen Lebens, stark geprägt von
dem Einfluß zahlreicher Emigranten aus Frankreich und den Niederlanden, die schon seit der Regierung
Friedrichs III. zunehmend in der Pfalz Zuflucht suchten (nr. 328, 391, 449, 473, 559, 598). Auf dem Schloß
entstanden die Prunkfassaden des Fnedrichsbaues und des Gläsernen Saalbaues, Friedrich V. errichtete im
ehemaligen Stückgarten das Elisabethentor und begann mit der Umgestaltung der Schloßterrassen zum
Hortus Palatinus. In der Stadt ließ Pfalzgraf Johann Casimir für die Universität den Neubau des Casimi-
rianums errichten (nr. 418, 436) und errichtete beim Zeughaus den - heute zerstörten - kurfürstlichen
Marstall.
Die Pfalz war in dieser Zeit ein bestimmender Faktor in der Politik des Reichs und der angrenzenden
Länder; sie war es verstärkt, seit die Heirat Kurfürst Friedrichs V. mit Elisabeth Stuart, der Tochter König
Jakobs von England, zum politischen Bündnis der Union mit England noch die familiäre Bindung gefügt
hatte. Zugleich lag hier aber auch die Ursache der großen Katastrophe, die 1619 kurz nach der Annahme
der böhmischen Krone durch Kurfürst Friedrich V. über das Land kam. Der böhmische Krieg ergriff auch
die Stammlande des Fürsten; 1620 wurde die untere Pfalz bis auf wenige befestigte Städte von spanischen
Truppen besetzt, 1622 erstürmten die Truppen der Liga die Residenzstadt Heidelberg, Plünderung,
Brandschatzung und Verwüstung waren die Folge. Auf Jahre und Jahrzehnte hinaus lag das geistige und
kulturelle Leben der Stadt und des Umlandes brach, die Universität mußte ihren Vorlesungsbetrieb völlig
einstellen, der Hof war dem Kurfürsten ins holländische Exil gefolgt. Nur wenige Denkmäler zeugen
unmittelbar vom Kriegsgeschehen, wie der Grabstein des schwedischen Wachtmeisters Abraham Meppel
auf dem Schloß (nr. 615). Die geringe Zahl der aus den letzten drei Jahrzehnten des hier berücksichtigten
Zeitraumes überlieferten Denkmäler spricht eine um so beredtere Sprache.
Den Neubeginn nach dem Dreißigjährigen Kriege bezeichnet die Restitution Kurfürst Karl Ludwigs,
des ältesten Sohnes Kurfürst Friedrichs V., in die pfälzischen Erblande, von denen nur die Oberpfalz end-
gültig an Bayern überging. Im Oktober 1649 zog der neue Kurfürst in seine verwüstete Residenz ein.
6) H. Rott, Kirchen- und Bildersturm bei der Einführung der Reformation in der Pfalz, in: NAHeidelberg 6
(1905) 229ff.
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