Zeit die Kirchen der Fritzlarer Umgebung ebenso mit Erzeugnissen einer örtlichen Werkstatt versehen
waren, wie es sich anderswo im 18. Jahrhundert für solche aus Augsburg nachweisen läßt.
Die Schriftformen der Fritzlarer Inschriften
Frühe Majuskel
Nächst den beiden Steininschriften am Anfang der Fritzlarer epigraphischen Überlieferung sind es
fünf Gegenstände des romanischen Schatzes der Stiftskirche, die eine willkommene Bereicherung der
Kenntnis der frühen, d.h. der vorgotischen Majuskel bieten. Nur Nr. i zeigt die strengen Formen der
spätkarolingischen Majuskel des 9./io.Jahrhunderts, für die besonders das eckige G charakteristisch ist.
Das M mit dem tief herabgezogenen Scheitel und den nicht ganz senkrechten Hasten fällt aus dem Rahmen
des Üblichen, ist aber bisher noch nicht als kennzeichnend für diese Zeit nachgewiesen. Der Buchstaben-
bestand ist zu gering, als daß man eine weitere Eingrenzung der Entstehungszeit der Inschrift versuchen
könnte, zumal der Namen des in dem Steinsarg Beigesetzten anderweitig nicht überliefert ist. Auffällig bei
Nr. 2 sind die beiden Kürzungen, die erst später geläufige Praxis werden, sonst mag die etwas unbeholfen
eingemeißelte Schrift dem zeitlichen Ansatz entsprechen, den Speckmann für die Lebenszeit des Hein-
rich Scio (ohne Quellenangabe) nennt.
Die Datierungen der fünf Stücke des Stiftsschatzes sind aufgrund von kunstwissenschaftlichen Erwä-
gungen gewonnen. Ihre Inschriften zeigen ein mehr oder weniger fortgeschrittenes Stadium eindringen-
der Unzialformen, jedoch nicht progressiv der zeitlichen Anordnung entsprechend. Als Gradmesser für
diese Entwicklung können in erster Linie die Buchstaben E, D, T und M dienen, die in kapitaler und un-
zialer Ausprägung nebeneinander in dieser Schriftperiode vorkommen. Nr. 5 in seiner augenfälligen
handwerklichen Ungeschicklichkeit bringt die größte Variationsbreite von Buchstabenformen und stellt
schlagend die gelegentliche Unsicherheit der Zeit in bezug auf die Schrift unter Beweis.
Zu erwägen bleibt, daß gravierte Inschriften nur bedingt in Parallele zur Entwicklung von Stein-
inschriften gesetzt werden können, da die dem Schreiben näherstehende Technik des Gravierens Elemente
der Unziale früher übernommen hat.
Gotische Majuskel
Die Fritzlarer Belege für die gotische Majuskel sind verhältnismäßig dürftig. Zwar sind fünfzehn
Objekte mit dieser Schriftform aufgeführt, jedoch ist sie in sehr verschiedenen Techniken angebracht:
in vier Fällen aufgemalt (Wandgemälde Nr. 11, Glasmalerei Nr. 20, auf Stein Nr. 12, auf Holz Nr. 33),
dreimal auf Glocken abgegossen (Nr. 25-27), zweimal eingraviert (Nr. 18 und 34) und einmal eingestickt.
Daneben tritt die gotische Majuskel als Steininschrift nur fünfmal auf, davon dreimal beschränkt auf die
vier Buchstaben des Kreuztitulus (Nr. 9, 10 und 21), und nur zweimal in längeren Grabinschriften.Von
diesen wiederum ist Nr. 24 offensichtlich nachgehauen und des ursprünglichen Charakters beraubt,
während das Fragment Nr. 31 aus den letzten Jahren des 14. Jahrhunderts, als sich in Fritzlar die Minuskel
schon völlig durchgesetzt hatte, beinahe als Anachronismus angesprochen werden muß. Aus diesem
Material läßt sich im Bearbeitungsgebiet weder eine besondere Ausprägung noch eine Entwicklung der
gotischen Majuskel ablesen. Die Magerkeit der Belege erklärt sich in erster Linie aus der zufälligen Un-
gunst der Überlieferung für diese epigraphische Periode, andererseits war sie aber in Fritzlar besonders
kurz, da nach der gotischen Minuskel des Wigbertgrabes von 1340 nur noch seltene Rückfälle in die
gotische Majuskel zu verzeichnen sind und dies vielfach bei Techniken (Glockeninschriften), bei denen sie
sich auch anderswo besonders lange gehalten hat.
Frühhuruanistische Kapitalis
Unter dem vorgelegten Material befindet sich nur ein deutlicher Beleg für diese Schriftform, die in
erster Linie auf Gemälden um die Wende zum 16. Jahrhundert vorkommt. Es handelt sich um den nicht
aus Fritzlar stammenden Altar Nr. 70. Mehrere der Inschriften des gußeisernen Ofens Nr. 96 mit dem
Gußdatum 1539 zeigen starke Anklänge an die frühhumanistische Kapitalis, besonders das doppelbauchige
E. Das lange Beibehalten von Elementen dieser Schriftform ist offenbar eine Eigenart der Werkstatt
des Formenschnitzers Philipp Soldan. Die auch sonst handwerklich unbeholfene Grabplatte des Jost v.
Dalwigk Nr. 109 trägt eine auffällige Form des D, die ebenfalls ein später Nachklang dieser besonders
auf Steindenkmälern seltenen Schrift sein dürfte.
XXII
waren, wie es sich anderswo im 18. Jahrhundert für solche aus Augsburg nachweisen läßt.
Die Schriftformen der Fritzlarer Inschriften
Frühe Majuskel
Nächst den beiden Steininschriften am Anfang der Fritzlarer epigraphischen Überlieferung sind es
fünf Gegenstände des romanischen Schatzes der Stiftskirche, die eine willkommene Bereicherung der
Kenntnis der frühen, d.h. der vorgotischen Majuskel bieten. Nur Nr. i zeigt die strengen Formen der
spätkarolingischen Majuskel des 9./io.Jahrhunderts, für die besonders das eckige G charakteristisch ist.
Das M mit dem tief herabgezogenen Scheitel und den nicht ganz senkrechten Hasten fällt aus dem Rahmen
des Üblichen, ist aber bisher noch nicht als kennzeichnend für diese Zeit nachgewiesen. Der Buchstaben-
bestand ist zu gering, als daß man eine weitere Eingrenzung der Entstehungszeit der Inschrift versuchen
könnte, zumal der Namen des in dem Steinsarg Beigesetzten anderweitig nicht überliefert ist. Auffällig bei
Nr. 2 sind die beiden Kürzungen, die erst später geläufige Praxis werden, sonst mag die etwas unbeholfen
eingemeißelte Schrift dem zeitlichen Ansatz entsprechen, den Speckmann für die Lebenszeit des Hein-
rich Scio (ohne Quellenangabe) nennt.
Die Datierungen der fünf Stücke des Stiftsschatzes sind aufgrund von kunstwissenschaftlichen Erwä-
gungen gewonnen. Ihre Inschriften zeigen ein mehr oder weniger fortgeschrittenes Stadium eindringen-
der Unzialformen, jedoch nicht progressiv der zeitlichen Anordnung entsprechend. Als Gradmesser für
diese Entwicklung können in erster Linie die Buchstaben E, D, T und M dienen, die in kapitaler und un-
zialer Ausprägung nebeneinander in dieser Schriftperiode vorkommen. Nr. 5 in seiner augenfälligen
handwerklichen Ungeschicklichkeit bringt die größte Variationsbreite von Buchstabenformen und stellt
schlagend die gelegentliche Unsicherheit der Zeit in bezug auf die Schrift unter Beweis.
Zu erwägen bleibt, daß gravierte Inschriften nur bedingt in Parallele zur Entwicklung von Stein-
inschriften gesetzt werden können, da die dem Schreiben näherstehende Technik des Gravierens Elemente
der Unziale früher übernommen hat.
Gotische Majuskel
Die Fritzlarer Belege für die gotische Majuskel sind verhältnismäßig dürftig. Zwar sind fünfzehn
Objekte mit dieser Schriftform aufgeführt, jedoch ist sie in sehr verschiedenen Techniken angebracht:
in vier Fällen aufgemalt (Wandgemälde Nr. 11, Glasmalerei Nr. 20, auf Stein Nr. 12, auf Holz Nr. 33),
dreimal auf Glocken abgegossen (Nr. 25-27), zweimal eingraviert (Nr. 18 und 34) und einmal eingestickt.
Daneben tritt die gotische Majuskel als Steininschrift nur fünfmal auf, davon dreimal beschränkt auf die
vier Buchstaben des Kreuztitulus (Nr. 9, 10 und 21), und nur zweimal in längeren Grabinschriften.Von
diesen wiederum ist Nr. 24 offensichtlich nachgehauen und des ursprünglichen Charakters beraubt,
während das Fragment Nr. 31 aus den letzten Jahren des 14. Jahrhunderts, als sich in Fritzlar die Minuskel
schon völlig durchgesetzt hatte, beinahe als Anachronismus angesprochen werden muß. Aus diesem
Material läßt sich im Bearbeitungsgebiet weder eine besondere Ausprägung noch eine Entwicklung der
gotischen Majuskel ablesen. Die Magerkeit der Belege erklärt sich in erster Linie aus der zufälligen Un-
gunst der Überlieferung für diese epigraphische Periode, andererseits war sie aber in Fritzlar besonders
kurz, da nach der gotischen Minuskel des Wigbertgrabes von 1340 nur noch seltene Rückfälle in die
gotische Majuskel zu verzeichnen sind und dies vielfach bei Techniken (Glockeninschriften), bei denen sie
sich auch anderswo besonders lange gehalten hat.
Frühhuruanistische Kapitalis
Unter dem vorgelegten Material befindet sich nur ein deutlicher Beleg für diese Schriftform, die in
erster Linie auf Gemälden um die Wende zum 16. Jahrhundert vorkommt. Es handelt sich um den nicht
aus Fritzlar stammenden Altar Nr. 70. Mehrere der Inschriften des gußeisernen Ofens Nr. 96 mit dem
Gußdatum 1539 zeigen starke Anklänge an die frühhumanistische Kapitalis, besonders das doppelbauchige
E. Das lange Beibehalten von Elementen dieser Schriftform ist offenbar eine Eigenart der Werkstatt
des Formenschnitzers Philipp Soldan. Die auch sonst handwerklich unbeholfene Grabplatte des Jost v.
Dalwigk Nr. 109 trägt eine auffällige Form des D, die ebenfalls ein später Nachklang dieser besonders
auf Steindenkmälern seltenen Schrift sein dürfte.
XXII