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Niederquell, Theodor [Bearb.]; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Mitarb.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Mitarb.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Mitarb.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 14 : Heidelberger Reihe ; Band 5): Die Inschriften der Stadt Fritzlar — München: Druckenmüller, 1974

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https://doi.org/10.11588/diglit.53159#0025
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Alleinherrschaft einer Werkstatt in Fritzlar und Umgebung geltend, deren Können über das gewöhnliche
Mittelmaß hinausgeht, wenn auch nicht jede Arbeit die gleiche Qualität aufweist. Von der genannten
Art sind vier Denkmäler erhalten (Nr. 173, 174, 183 und 192), von denen 183 bei weitem das beste ist.
Gewiß ist Nr. 189 anzuschließen, obwohl der fragmentarische Zustand kein sicheres Urteil erlaubt. Dazu
gehört weiter das originelle Wandgrabmal mit dem Brustbild des Verstorbenen Nr. 191, drei figürliche
Grabplatten Nr. 177, 180 und 186, zweiWappensteine Nr. 176 und 194 und wahrscheinlich auch die bei-
den bescheidenen Andachtsepitaphien Nr. 182 und 188.
Schon ein flüchtiger Besuch in der näheren Umgebung läßt die Denkmäler eines Junkers von Baum-
bach in der Stadtkirche in Homberg an der Efze, des Bürgermeisters Flemming in der ehemaligen Domini-
kanerkirche in Treysa und das des Ritters Burkhard von Wildungen an der Stadtkirche in BadWildungen
als Arbeiten unserer Werkstatt erkennen.
Die Glocke Nr. 25 nennt vielleicht Meister Johannes als Gießer, für den dann auch die beiden folgen-
den Nr. 26 und 27 in Anspruch genommen werden können. Nr. 50, 51 und 57 sind von Meister Goswin
und Nr. 38 von Heinrich Heisterbaum gegossen. Auf den beiden Geschützen Nr. 87 hat Johann von
Marburg und auf dem Ofen Nr. 96 haben sogar Formenschneider, Gießer und Hüttenmeister ihre Namen
angebracht. Mit Sicherheit stammen alle diese Gußerzeugnisse nicht aus Fritzlarer Werkstätten, wenn auch
die größeren Glocken der Gepflogenheit der Zeit entsprechend am Orte gegossen sein werden.
Anders verhält es sich mit den kleineren Gußstücken aus Buntmetall, die in Fritzlar in erstaunlich
großer Zahl erhalten geblieben sind. In dieser Sammlung wurden neun beschrieben, acht weitere sind aus
späterer Zeit vorhanden. Diese Anzahl rechtfertigt es, sie als eine Fritzlarer Besonderheit anzusprechen,
deren Tradition manchmal in größeren Abständen, jedoch im Prinzip ununterbrochen vom 14. bis zum
Ende des 18. Jahrhunderts gepflegt wurde. Es muß bei diesem Material, das bis in die jüngste Zeit dazu
verführte, es im Augenblick wichtiger erscheinenden Zwecken zuzuführen, mit relativ hohen Verlusten
gerechnet werden. Nachweisen läßt es sich mit Sicherheit nur für Nr. 17, wo es sich um gegossene Schrift-
zeilen gehandelt hat, wohl der verbreitetsten Art der Anbringung von Buntmetallteilen auf Steindenk-
mälern.
Die Grabplatte des Kanonikers Georg Schwalenberg Nr. 184/85, die die ursprüngliche Verbindung
von Sandstein und Bronzeauflage bewahrt hat, lieferte die Veranlassung zu der Annahme, alle Metall-
epitaphien, die heute an den Pfeilern des Mittelschiffs der Stiftskirche angebracht sind, wären in gleicher
Weise auf Grabplatten befestigt gewesen. Sicher ist das nur für Nr. 30, die übrigen könnten ebensogut
als eigenständige Epitaphe gedacht gewesen sein. Nr. 108 mit einer Volutenbekrönung legt das nahe
und Nr. 133 sowie die späteren der Kanoniker v. Mairhoffen (f 1738) und Monfrault (f 1762) haben sich
nach dem Nachlaß Würdtwein schon um die Mitte des 18. Jahrhunderts an der Stelle befunden, an der
sie heute noch befestigt sind.
Es gibt in der Literatur keinen Flinweis auf die Herkunft dieser Gußarbeiten, es gibt keinen Ort der
weiteren Umgebung, an dem über Jahrhunderte hinweg eine Industrie derartige Gegenstände herge-
stellt hätte, es gibt in ganz Hessen und auch dem früheren kurmainzischen Bereich - von importierten
Einzelstücken abgesehen - keine Stelle, an der auch nur eine annähernd ähnlich große Anzahl von der-
artigen Denkmälern zu finden wäre4). Das kann nicht allein mit einem zufälligen Nichterhaltensein er-
klärt werden. So bleibt immerhin bis zum Gegenbeweise die theoretische Möglichkeit bestehen, daß sie
Fritzlarer Produkte sind.
Der erstaunliche Bestand des Stiftsschatzes an mittelalterlichen Goldschmiedearbeiten ist allerdings
wirklich dem „Zufall“ zu verdanken. Durch die schriftliche Überlieferung erhärtet weiß man, daß jede
Kathedrale, Abtei- oder Stiftskirche von Belang während des hohen Mittelalters eine ebensolche, wenn
nicht größere Anzahl von Kirchengeräten besaß. Aus diesem Grunde schon fehlt der Theorie einer Fritz-
larer Goldschmiedewerkstatt der romanischen Zeit, die die ältere Kunstwissenschaft vertreten hat, die
rechte Beweiskraft.
Eher möchte man die Tätigkeit einer Edelmetallwerkstatt für die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts in
Fritzlar annehmen. Die beiden Prachtmonstranzen Nr. 55 und 61, das ihnen nahestehende Ciborium aus
Ungedanken Nr. 53, sowie die Kelche Nr. 54 und 62 und weitere inschriftlose Geräte des Stiftsschatzes
könnten einem Fritzlarer Atelier entstammen.
Der unterschiedliche Grad der Erhaltung von Kirchenschätzen in den katholischen und protestanti-
schen Gebieten des geistlichen Einzugsbereichs des Petersstifts und ihr hoher Materialwert erschweren
allerdings eine Beweisführung unter Einbeziehung der Nachbarschaft. Möglich, daß zur angegebenen

4) Eine wesentlich größere Anzahl von Buntmetallerzeugnissen - große und kleine Epitaphien, Auflagen auf Grabsteinen
in Form von Wappen, Einzelbuchstaben und ganzen Schriftzeilen - sind dem Verfasser in der ehemaligen Kathedrale und der
Stiftskirche St. Stephan in Konstanz begegnet. - Zu vergleichen ist auch der sehr reichhaltige Nürnberger Bestand: DI. XIII
(Nürnberger Friedhöfe) p. XVI sqq.

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