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Borchardt, Karl; Herrmann, Franz Xaver; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Mitarb.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Mitarb.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Mitarb.]; Kramer, Theodor [Bearb.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 27 = Münchner Reihe, 7. Band): Die Würzburger Inschriften bis 1525 — Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert Verlag, 1988

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https://doi.org/10.11588/diglit.57398#0027
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Musterbeispiel für diese Richtung hervor. Verwandte Schriftformen, deren Buchstaben fast quadra-
tisch sind und die kaum Ligaturen oder Kürzungen zeigen, finden sich in Nordfrankreich, auf dem
Grabstein für Papst Hadrian I. (gest. 795) in Rom, den nach den Lorscher Annalen Karl der Große
dorthin bringen ließ, aber auch in Fulda, Hersfeld und Unterregenbach.1
Romanische Majuskel: Aus den zwei folgenden Jahrhunderten sind in Würzburg keine In-
schriftenerhalten, aus der Zeit zwischen 1000 und 1200 zehn (Nr. 3, 5,6, 8,9, 11, 12, 14, 15, 17), aus
dem 13.Jh. vierzehn (Nr. 20, 21, 25, 26, 28-35, 42, 43), die noch nicht Gotische Majuskel zeigen. Die
reine Kapitalis, deren Buchstaben sich vom Quadrat mehr dem Hochrechteck näherten, wurde bis ins
12.Jh. weiterhin verwendet, vor allem für feierliche Anlässe. Daneben drangen im 10. / 1 i.Jh. wieder
unziale Formen bei A, E, H, M, N, T und U in die Inschriften ein, wie es sie in der Merowingerzeit
schon einmal gegeben hatte. Ihre Anzahl allein sagt jedoch wenig über die Datierung der Inschriften
aus. Bis zum Ende des 12. Jhs. blieben die unzialen Formen meist in der Minderheit; dann traten auch
vermehrt Ligaturen, Kürzungen und Einstellungen (Enklaven) auf (z. B. Nr. 21).2 3 Neben der quadra-
tischen oder hochrechteckigen Form, der Kapitalis oder Unzialis, den Ligaturen, Kürzungen oder
Einstellungen und den engen oder weiten Abständen sind als viertes Merkmal seit dem 12.Jh. die
Schwellungen bei den Bögen infolge ungleichen Schlagwinkels und die kräftigere Gestaltung der
linksgeneigten gegenüber den rechtsgeneigten Schrägschäften zu beachten. Leichte Wölbungen oder
Schwingungen bei X und U, ungleiche Bögen bei B, A mit horizontalem Abschlußstrich oder in
Trapezform, R mit offenem Bogen, L mit geschwungenem Schaft und gewelltem Balken kennzeich-
nen diese Schriften, aus denen sich im 13.Jh. die gotische Majuskel verfestigte (Nr. 26, 30, 34, 35,42)?
Gotische Majuskel: Der Übergang zur gotischen Majuskel, bei der die Ausbuchtungen und
Anschwellungen ein ornamentales Muster hervorrufen, wird im besonderen am C und runden E, die
durch einen Haarstrich rechts geschlossen werden, und am sog. pseudounzialen A abgelesen, dessen
linker Schenkel nicht mehr gerade, sondern gebogen ist. Kennzeichnend sind weiterhin scharfer Kon-
trast von Haar- und Schattenlmien, Schaftverdickungen an Stelle der Sporen, symmetrisch eingeboge-
nes M, J neben I, völliges Verschwinden von Kapitalem E, H, M und N, nur bei T und U noch ein
Wechsel von kapitalen und unzialen Formen. Das erste voll ausgebildete Beispiel für diese Schrift in
Würzburg ist die Inschrift des Günther Scholle aus der Johanniterkirche (Nr. 37), die sogar das gerade
E durch einen Haarstrich schließt, beim A jedoch beide Schäfte überwiegend gerade bildet; seine etwas
später anzusetzende Inschrift an der Deutschhauskirche (Nr. 42) ist dagegen merklich konservativer
(offenes CundE). Neben derbreiten Form (z. B. Nr. 50, 60, 76, 93, 110) trat nach I350einehohe Form
auf (z. B. Nr. 67, 74, 75, 91, 123 J). Bei ersterer waren die Buchstaben ungefähr gleich breit und hoch,
manchmal sogar etwas breiter als hoch, bei letzterer etwa doppelt so hoch wie breit.4 Das jüngste
datierte Beispiel gotischer Majuskel ist die Grabinschrift des Harmut Bayer 1402 (Nr. 141). Im 15.Jh.
hielt sich eine Ziermajuskel am Rationale (Nr. 368f, 346), die dann durch die Renaissance-Kapitalis
abgelöst wurde (Nr. 473). Bei der Memorientafel für Kilian (Nr. 128 J) hat man offensichtlich in der
frühen Neuzeit die gotischen Majuskeln nachgeahmt.5
Gotische Minuskel: Am Ende des 14.Jhs. wurde die gotische Majuskel von der aus der Buch-
schrift übernommenen gotischen Minuskel abgelöst. Früheste Beispiele sind die stark beschädigte
Grabplatte des Domkanonikers Johann von Thüngfeld (gest. 1378; Nr. 99) und ein Bildstock in Hei-
dingsfeld von 1378, dessen Inschrift abgewittert ist (Nr. 100 J). Wenn das Grabdenkmal der Elisabeth

1 Kloos, Einführung 120-23 ;J. Ramackers, „Die Werkstattheimat der Grabplatte Papst Hadrians I.“, Römische Quar-
talschrift 59 (1964), 36-78; R. Conrad, Niederrheinische Epigraphik vom achten bis dreizehntenjahrhundert (Frank-
furt a. M. 1931), 8-18; J. Vonderau, Die Ausgrabungen am Dom zu Fulda in den Jahren 1919/24 (Fulda 1924);
J. Hörle, „Das Lullusgrab und die anderen Gräber im Stift bis 1500“, Die Stiftsruine 31 (1941), 33 f. [zu Hersfeld];
P. Deschamps, „Etüde sur la paleographie des inscriptions lapidaires de la fin de l’epoque merovingienne aux dernieres
annes du XIIe siede“, Bulletin monumental 88 (1929), 5-81; H. Christ, Die Pfarrkirche von Unterregenbach“, Würt-
temb. Franken 26/27 (1951/52), 217-23. Ein ganz anderer Schriftstil fand sich in Solnhofen: V. Milojöiö, „Ergebnisse
der Grabungen von 1961-1965 in der Fuldaer Propstei Solnhofen a. d. Altmühl (Mittelfranken)“, 46.-47. Ber. d.
Röm.-Germ. Kommission 1965-1966 (1968), 151E mit Expertise von Prof. Bischoff.
2 Kloos, Einführung 123-25; Koch, Inschriftenpaläographie 121-31; R. Funken, „Epigraphische Anmerkungen zu
niederrheinischen Grabsteinen“, Bonner Jbb. 183 (1983), 329-39.
3 Kloos, Einführung 125-28; Koch, Inschriftenpaläographie 132-39; R. Funken, „Epigraphische Anmerkungen zu
niederrheinischen Grabsteinen“, Bonner Jbb. 183 (1983), 339.
4 Kloos, Einführung 129-33; Koch, Inschriftenpaläographie 139-46. Die gotische Majuskel wurde entgegen früher
verbreiteter Annahme noch im 15.JF1. durchaus verwendet: J. Schalk, „Gräber, Grabsteine und Epitaphien in der
Liebfrauenkirche zu Worms“, Archiv, f. mittelrhein. Kirchengesch. 36 (1984), 207b Nr. 3, 208 — 10 Nr. 4.
5 Kloos, Einführung 13 3 f.; Rauh, Paläographie II70. Für die Möglichkeit zur Einsicht in den ungedruckten zweiten Teil
von Rauhs Arbeit sei Frau Dr. Neumüllers-Klauser an dieser Stelle herzlich gedankt.

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