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Madel-Böhringer, Claudia; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Mitarb.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Mitarb.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Mitarb.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 44 = Münchener Reihe, 9. Band): Die Inschriften des Landkreises Günzburg — Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert Verlag, 1997

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https://doi.org/10.11588/diglit.57400#0030
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weisen charakteristische Merkmale auf, die im wesentlichen durchgehend beibehalten sind: v und w
haben einen im Bereich der Oberlängen angesetzten Anstrich, und werden mit einer mehr oder we-
niger schwungvollen Abwärtsschleife auf die Grundlinie geführt107 108. Die Oberlänge des k ist halb-
kreisförmig nach rechts gebogen, die Cauda des h, die meist in einem Knötchen endet, ist herabgezo-
gen, häufig verwendet wird das Haken („Schulter“)-r. Diese typischen Gestaltungmerkmale einzelner
Buchstaben gelten auch bei der eingehauenen Schrift Loy Herings. Jedoch wirkt diese kleinteiliger
und dichter gesetzt. Besonders in den Epitaphien von 1528 und 1542 (Nrr. 60, 66), die sich im Schrift-
bild sehr nahe stehen, sind die Minuskeln zierlich, gelängt, und sehr gedrängt. Im Kontrast dazu ste-
hen die Versalien, die sehr breit, aus weit auslaufenden Schwüngen gebildet, angelegt sind. Diesen
auffallenden Gegensatz von eng gesetzten, steilen Kleinbuchstaben und geschwungenen, raumgrei-
fenden Versalien, zeigen auch etwa zeitgleiche Beispiele unbekannter Steinmetzen in Oberwaldbach
(Nr. 63) sowie Ursberger Grabschriften von 1522 (Nr. 47) und ganz besonders von 1569 (Nrr. 84,
85)
Um die Mitte des 16. Jahrhunderts zeigt sich bei den in Stein gehauenen Inschriften ein Eindringen
von Frakturelementen bei den Versalien: Im 1541 entstandenen Epitaph des Wilhelm Rieter von
Bocksberg zu Bühl (Nr. 64) sind die Großbuchstaben A, R, V, J aus der Fraktur übernommen. Ty-
pisch sind hier das An- und Abschwellen der Vertikalstriche und der als „Elefantenrüssel“ bezeich-
nete s-formige Schnörkel, mit dem die Versahen ansetzen. Diese Frakturelemente zeigen sich in der
gemalten Schrift bereits im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts, wobei das frühere Auftauchen dieses
Motivs wohl an der innovationsfreudigeren Technik des Malens liegt. Was die Kleinbuchstaben be-
trifft, so überwiegt auch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts noch die Gotische Minuskel deut-
lich gegenüber der Fraktur. Nur sehr zaghaft dringen vereinzelt Frakturelemente in das dominante
Schriftbild der Gotischen Minuskel ein. Emen Mischcharakter weist die Schrift auf dem Epitaph des
Melchior vom Stain von 1580 (Nr. 97) auf. Im von der Gotischen Minuskel geprägten Schriftbild sind
die ausgreifenden Versalien wie auch die Unterlängen der s und f Formen, die der Fraktur zuzuweisen
sind. Auch die schräge Oberlänge des d und das gespitzte o sind für die gotische Minuskel unty-
pisch.
Exemplarisch für das Festhalten am traditionellen Schrifttypus der Gotischen Minuskel, in den neue
Stilelemente schleppend und nur sporadisch Eingang finden, seien Werke der Bildhauerfamilie Schal-
let genannt, die im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts einen beachtlichen Anteil an den noch erhal-
tenen Steinmetzarbeiten im Bearbeitungsgebiet geschaffen hat. Unter den Inschriftenwerken des
Landkreises, die einem Meister zugewiesen werden können, stehen die des Bildhauers Hans Schaller
mit sechs signierten und sechs zugewiesenen Werken zahlenmäßig an erster Stelle. Seme Werke wei-
sen mit nur einer Ausnahme (Nr. 104 — s. u.), einem Mischtyp, den Schriftcharakter der Gotischen
Minuskel auf. Hans Schaller war Sohn des Michael Schaller d.A., und wurde um 1540 in Ulm gebo-
ren; 1576 ist er dort als „Maurer“IO,s am Münster tätig. Sem frühestes Werk im Bearbeitungsgebiet ist
das 1564 entstandene Epitaph für Marquart vom Stain (Nr. 79) in Jettingen. Bereits hier zeigt sich die
für Schalters Werke typische kompakte Schrift, deren Kleinbuchstaben nach dem Schema der Goti-
schen Minuskel gebaut sind. Der gesetzte Charakter ergibt sich aus der gleichmäßigen Breite der in
regelmäßigen Abständen gereihten Buchstabenschäfte. Die Schrift wirkt sehr tektonisch, gebaut aus
den vertikalen Schäften, die deutlich ausgeprägte Quadrangeln aufweisen. Die Zunge des r ist eben-
falls „karoförmig“ verkürzt. Auch bei den Versalien dominiert die Konstruktion des Buchstabens aus
der Vertikalen und einem geschwungenen Kopf- bzw. Fußbalken. Die Form des A, C, E, G, L, M, V
und T ist im wesentlichen immer gleichbleibend. Insgesamt haben wir — beachtlich für diese schon
späte Zeit — eine sehr strenge und statische Form der Gotischen Minuskel vor uns. Dieser typischen
Schriftgestaltung bleibt auch Hans Schallers Sohn, Michael Schaller d.J., von dem im Landkreis figu-
renreiche Epitaphien in Bayersried (Nr. 124) und Unterknörmgen (Nr. 138) erhalten blieben, treu.
Selbst im 17. Jahrhundert noch ist im Bearbeitungsgebiet dieser Schrifttypus durchaus geläufig, so im
Leipheimer Epitaph für Sabina Apiam (Nr. 140), das 1604 der Ulmer Steinmetz Georg Huber schuf,
und das sich stark an die beiden Epitaphien Hans Schallers für die Familie Kraft von 1568 und 1585
(Nrr. 82, 103) anlehnt. Die beiden Ehinger Epitaphien in Großkötz von 1619 und 1633 (Nrr. 158,
179), von denen das letztere ebenfalls die Initialen Georg Hubers trägt, sind in Gotischer Minuskel
ausgeführt. Die Fraktur-Versalien wirken jedoch bewegter und raumgreifender als im Leipheimer

107 Diese Bildung des v tritt schon 1515 auf einer Gemäldetafel vom sog. ersten Wettenhausener Altar auf (Nr. 45)
108 Christa, Hans Schaller 574.

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