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Seeliger-Zeiss, Anneliese; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Mitarb.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Mitarb.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Mitarb.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 47 = Heidelberger Reihe, 13. Band): Die Inschriften des Landkreises Böblingen — Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.57659#0044
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Schriften des Sakramentshauses in Weil der Stadt (1611; nr. 334); auch einzelne evangelische Pfarrer
zeigen ihre Gelehrsamkeit in lateinischen Versinschriften (nrr. 259, 277, 338, 363, 378, 379). Wenige
Grabmäler herausragender Persönlichkeiten verwenden Latein, so das Grabdenkmal für Hans Rem-
hart Harder (gest. 1519; nr. 1519), das Epitaph mit elegischen Distichen für Anna von Anweil
(gest. 1578; nr. 229) und die Prosainschriften für Johann und Kilian Brastberger (gest. 1581 und 1614;
nrr. 234, 344). Für die Laudatio von Amtsträgern wie auch für Rathausinschriften wurden umfang-
reiche Gedichte in deutschen Reimen verfaßt (nrr.228, 264, 311, 317, 380, Anh. 16c). Griechische
oder hebräische Wörter neben Latein sind selten; in zwei Fällen bieten sie eine originale Schreibung
des Kreuztitulus (nr. 160, 350) und einmal die Transkription des Gottesnamens (nr. 2).
Die ersten Belege für das Aufkommen des „Anno-Domini-Formulars“ auf Grabmälern setzen im
Lkr. Böblingen nach der Mitte des 13. Jahrhunderts mit den unzuverlässig überlieferten Smdelfinger
Grabplatten em (1253, 1255; nr. 6, 7); der erste gesicherte Beleg ist die Böblinger Grabplatte des
Pfalzgrafen Heinrich von Tübingen, gest. 1336 (nr. 20). Damit bewegt sich der Befund im Rahmen
der auch in den Nachbarkreisen erforschten Ergebnisse. Die Anfügung des Fürbitt-Wunsches „cuius
anima requiescat in pace“ am Ende der Grabschrift begegnet zuerst 1449 in Gärtringen (nr. 58).
Hierzu lassen sich zuverlässige Beobachtungen nur an erhaltenen Denkmälern machen, da die ko-
piale Überlieferung meist auf diese für sie entbehrlichen Schlußformeln verzichtete. Die wörtliche
Übersetzung dieser bis ms 16.Jahrhundert im katholischen Bereich üblichen Grabschrift-Formel
ins Deutsche kommt 1502 (nr. 126) zuerst vor: der Seel Gott gnädig sein wolle. Daneben begegnet schon
1491 in Leonberg die Form, die nach der Reformation im evangelischen Württemberg in mehreren
Varianten vorherrschen sollte: denen Gott beiden gnädig und barmhertzig sei (nr. 101) oder kurz dem Gott
gnad (nr. 133).
Zusammenfassend läßt sich über das Formular auf Grabmälern feststellen, daß nach der Mitte des
16. Jahrhunderts eine ausführlichere Form entwickelt wurde, die Angaben zur Biographie des Ver-
storbenen, zu seinem Alter, seiner Todesursache, seiner Abkunft und ehelichen Verbindung und
vieles mehr aufnimmt. Bis um 1650 durchlaufen die Grabschriften daher eine Entwicklung, die re-
gional keineswegs einheitlich ist und je nach der sozialen Herkunft der Verstorbenen mannigfach
vanert sein kann. Das Geburtsjahr wird nur bei Kindern häufig genannt (Erstbeleg 1547; nr. 186).
Die Angabe der Sterbestunde ist 1530 bereits zuverlässig bezeugt (nr. 174). Zum Namen treten
Standes- und Amtsbezeichnungen und standestypische Epitheta hinzu. Bei Frauen wird im all-
gemeinen der Ehemann genannt; bei Ehepaaren steht die Frau stets an zweiter Stelle. In vielen Fäl-
len wird in der Grabschrift eines Elternteiles auch der bereits verstorbenen Kinder namentlich ge-
dacht (Erstbeleg 1574; nr. 219). Auf den Epitaphien mit der knienden Familie vor dem Kruzifix
werden häufig alle Familienglieder, Tote und Lebende, Erwachsene, Kleinkinder und bereits ver-
heiratete Kinder sowie verstorbene Ehefrauen in Gemeinschaft vereint. Wenn den Figuren Vor-
namen beigeschrieben sind, werden in der eigentlichen Grabschrift meist nur die Eltern genannt;
die bereits Verstorbenen können durch ein Kreuz oder durch einen kleinen Totenschädel gekenn-
zeichnet sein.

6. Die Schriftformen
Die lückenhafte Überlieferung, die vor allem für die mittelalterlichen Inschriften vor 1530 mit
großen Verlusten zu rechnen hat, erlaubt keine Aussagen über die schriftgeschichtliche Entwick-
lung14 Auch erübrigt sich hier eine Wiederholung der Grundlinien allgemeiner Schriftgeschichte
im südwestdeutschen Bereich, wie er von Harald Drös in der Einleitung zu DI 41 (Göppingen) vor-
gelegt wurde130. Die Kenntnis der wichtigsten Schriftarten und ihrer Terminologie kann in einer
Edition mit epigraphischer Zielsetzung ohnehin vorausgesetzt werden131. Hier soll lediglich der spe-
zifische Befund zu den Denkmälern der Epigraphik des Lkr. Böblingen zusammengefaßt werden,
wobei alle Befunde gleichfalls im Registerteil verzeichnet sind. Die am häufigsten im Lkr. Böblingen
vorkommende Schriftform ist die Kapitalis in der seit dem frühen 16. Jahrhundert entwickelten Form
(123 Stücke); an zweiter Stelle steht die Gotische Minuskel (83), dicht gefolgt von der Fraktur (77).
Die Frühhumanistische Kapitalis (14) und die schwer faßbaren Spielarten der Humanistischen Mi-

Zur Terminologie vgl. Deutsche Inschriften. Terminologie zur Schriftbeschreibung. Wiesbaden 1999.
DI 41 (Göppingen) Einleitung S.XLIV-LIX.
Hier ist nach wie vor das Handbuch von Rudolf M. Kloos heranzuziehen; vgl. Kloos, R. M., Einführung in die Epi-
graphik des Mittelalters und der Neuzeit. Darmstadt 1980; 2. ergänzte Aufl. Darmstadt 1992.

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