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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0185
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3. Unterricht der visitatoren an die pfarrherrn im kurfürstenthum zu Sachsen. 1528.

157

in den stedten Juda woneten, wie man liset im
andern teil von den königen am 12 cap. und be-
hielt nur einen stam, denn zehen stemme hatte
könig Hieroboam, wie auch in dem selben teil am
11. cap. stehet.
Doch soll man die unterthanen vleissig unter-
weisen, nichts deste weniger sich gehorsamlich
und untertheniglich gegen harter öbrikeit zu halten,
wie auch S. Peter in seiner 1 epistel am 2 cap.
leret: Ihr hausknechte seid unterthan mit aller
furcht den herrn, nicht allein den gütigen und
gelinden, sondern auch den unschlachtigen,).
Denn gott lebet noch, der gesagt hat, im 5. buch
Mose am 32. cap.: Die rache ist mein, ich wil
vergelten. Der selbe wird die ungütige öbrikeit
wol finden.
Etliche zweifeln auch hie, ob man müge in
sachen, die besitzung der güter, oder strafe der
bosen belangend, die gesetz brauchen, so die keiser
oder heiden gemacht haben. Item, ob man müge
die diebe hengen, so doch das gesetz Mose anders
leret, exodi am 22. cap.
Darumb sol man wissen, das wir wol mügen
brauchen, und recht ist, der keiser gesetz halten.
Denn wie S. Peter in seiner 1. epistel am
2. cap. schreibt: Seit unterthan aller menschlicher
ordenung, umb des herrn willen, es sei dem könig
als dem obristen, oder den pflegern, als den ge-
sandten von ihm* 2), zur rache der ubeltheter, und
zu lobe der woltheter.
Wie uns auch die beschneidung nicht geboten
ist, also ist auch nicht geboten, das wir gerichts-
ordnung, die im Mose stehen, halten müssen.
Also sagen die apostel, act. am 15.: Man soll die
bürde des gesetzes nicht auf die heiden legen,
und die heiden müssen nicht jüden werden, son-
dern mügen wol heiden bleiben, das ist, sie mügen
in weltlichem regiment heidenische ordenunge
halten, die güter teilen, nicht wie sie Moses teilet,
strafen nicht nach Mose gesetz, sondern nach
ihrem gesetz.
Moses gebeut nach anzeigung der bücher
exodi, levitici, numeri und deuteronomii den decem
allein den priestern zu geben. Aber wir sollen
den decem geben, wem sie unser öbrikeit ge-
ordnet hat.
Moses spricht, der eltist oder erstgeborne son,
sol zwei teil des. erbes haben, wir aber sollen
erbe nach unsern rechten teilen.
Moses leret, exodi am 22. Man sol diebe
also strafen, das sie ein teils zwifach, ein teils
vierfach wider geben.
Bei uns mag man in solchen fellen unser
landrecht halten. Doch were es fein, das man

1) 1538 statt [unschlachtigen]: wünderlichen.
2) 1538 statt [von im]: von inen.

mit unterscheid und nicht zu hart, diebstal strafet,
denn es wird dick und oft erfaren, das man sehr-
geringe diebstal eben so ernstlich als grossen
strafet.
Man sol auch umb friedens willen, alte ge-
setz nicht wegnemen, ob sie schon schwer sind.
Es haben auch die alten, so solche gesetz
gemacht haben, wol gewisst, das unsern leuten,
die wilde sind, harte strafe not ist.
Darumb sol ein jeder sein landrecht brauchen,
denn es ist ein grad christlicher freiheit, wie
S. Paulus sagt zun Colossern am 3.: Ein christen
ist nicht ein krieche, jüde, beschneitung, vorhaut,
unkrieche, schyta, knecht, freier, sondern alles und
in allen Christus. So bestetiget auch S. Paulus
zun Römern am 13. heidnische rechte, da er
leret, das alle gewalt von gott sei, nicht allein
bei den jüden, sondern auch bei den heiden.
Item, das man aller gewalt, nicht allein christ-
licher, sondern auch heidnischer unterthenig
sein sol.
Doch sollen alle gesetz diese mas haben, das
sie leren, wie Paulus zun Römern am 13. sagt,
gute werk loben, und böse strafen. Ob sie schon
herter strafen denn Moses, sind sie darumb nicht
unrecht.
Das ist darumb geschrieben, denn es sind
etliche, die wider gemeine landsordnung, von
zehenden, von henken, und der gleichen schreien,
daraus zum teil die aufrhur für zweien jaren 1)
erwecket worden ist. Solche schreier sollen als
aufrhürische gestraft werden, denn wir alle welt-
liche gesetz und ordnung als gottes willen und
gesetz, fürchten sollen. Denn Salomon spricht
proverbiorum am 16.: Weissagung ist in den
lippen des königs, das ist, was die herrschaft
ordenet2) oder gebeut, sol gehalten werden, als
were es gottes ordnung. Davon denn viel ge-
schrieben stehet zun Römern am 13.
Die andern Gebot sind ausgelegt durch
Christum selbs, Matth, am 5. cap.
Hie sollen auch die leute vermanet werden,
das sie zins, damit ein jeder beladen, treulich
bezalen und ausrichten wollen, und ob schon
etliche contract beschwerlich weren, ist dennoch
jederman zu bezalen schuldig, von wegen seiner
pflicht und des gehorsams, den sie der öbrikeit
schuldig sind, damit gemeiner landfriede möge
erhalten werden. Denn was ists anders, nicht
wollen zins oder schuld zalen, denn raub und
mord anrichten?

1) 1538 statt [für zweien jahren]: „für zwölf
jaren“.
2) 1538 statt [was .. ordnet]: was die herrschaft
nach dem recht ordnet.
 
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