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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0551
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56. Verordnung der Visitatoren für die Stadt Annaberg. 1555.

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konnen, sind sie doch durch die herren visitatores
so ferne vormocht, das sie ihnen das gebetene
conductgeld nach apsterben des alten schwachen
priesters welcher hiebevorn zu beileitunge der
toden geordent, alsdenne gunstiglich und unver-
hinderlich wollen reichen und volgen lassen.
V.
Domit auch dem vordrisslichen ubelstande, so
eine zeit lang mit dem austragen und beleitunge
der toden, indeme sie oftmals vor ihren eigen
heusern, oder sonsten auf den gassen niedergesetzt,
und das volik, so mitgegangen, bis andere mehre
leichen geholet und herzugebracht, etwan lange
stehen und warten mussen, vorkommen, so sol es
hinfuro also darmit gehalten werden, als da in
sterbens oder zu anderen zeiten mehr den eine
leiche vorhanden, so sollen die schuler und prister
auf zwei oder mehr theil, wie sichs am bequem-
sten schicken und leiden will, abgesundert und
geteilet, oder da es die gelegenheit dermassen
geben wurde das ausgehen mit der schule und
pristerschaft, so viel derselbigen erfordert, do-
selbsthin gerichtet und die leichen eine oder mehre
oder aber in mangel derer gelegenheit, die
weitesten sunsten herzugebracht und also sempt-
lich auf ein mal hinausgetragen werden. Do aber
etwan wolhabende und vermugliche leute ihre
toden mit den schulern und kirchendienern alleine
zu beleiten bitten und begeren und sich deshalb
mit den dienern der kirchen und schulen gepur-
lich zu erzeigen, erbieten wurden, darinnen sol
ihnen kein mass, besondern desfals nach gelegen-
heit ihres gefallens zu ordnen und zu bestellen
vorgunst und nachgelassen sein.
VI.
Als auch eine zeit lang im brauche, das, wen
auf die sontage oder andere feiertage leichen ge-
wesen, man die nach mittags predigt fur die kinder
und gesinde in der pfarkirchen unterlassen und
dargegin in der capel aufm begrebnus geprediget
wurden, haben die herren visitatores aus noth-
wendigem bedenken, das hierdurch beide, die
kinder und das gesinde und die kinder, im be-
richte gottes worts merklich versaumpt, und das
solche capella klein und enge, also, das winter-
zeit, wenn kelde und ungewitter, oder auch im
summer wen es regnet, das vollig heraussen
unterm himmel stehen muss, geschafft und geordnet,
das die nachmittags predigt hinfuro erstlich in der
pfarkirchen gehalten und, wen dieselbige geschehen,
alsdenne das funus oder leiche deduciret und
hinausgetragen und in der capel alsdenne eine
predigt ausm catechismo, oder aber eine christliche
erinnerunge vom sterben und auferstehunge der
toden auf ein vertel einer stunde ungeferlich ge-
than, und anders nicht gehalten werden solle.

VII.
Domit auch die liebe jugent, beide in latini-
schen und teutschen schulen, daran den nicht der
wenigste theil unsers christenthumbs gelegen, im
unterricht gottlichs worts, des catechismi und
anderer freien kunste, sonderlich aber in der
grammatica, als dem anfange und gewisser an-
leitunge und grund aller anderer kunste, vleissig
angehalten und geubet, auch derselbigen precep-
tores und diener nicht unfleissig vormerkt und
gespurt, so sollen der herr superattendent beneben
dem regirenden burgermeister, so jeder zeit sein
werden, beneben etzlichen anderen rathspersonen,
beide latinische und teutsche knaben und auch
meidleins schulen alle quartal sonderlich und also
vier mal im jare visitiren, sich derselbigen, dar-
neben auch der schulmeister und diener schuldigen
vleises, lebens, wesens und sonsten aller gelegen-
heit mit treuem vleisse erkundigen, und nachmals
die kinder ihre lection und sonderlich im cate-
chismo in ihrer aller gegenwertigkeit vleissig
examiniren und verhoren lassen, domit man sehen
und erfahren moge, wie viel sie zugenomen und
sich gebessert.
VIII.
Als auch von den dienern der kirchen ferner
vorbracht und gebeten, das ein erb. rath etwan
auf ein stipendium vor die emerites und umb die
kirchen wol vordiente alte prister und nach der-
selbigen apsterben auch ihre arme weiber und
kinder zu notdurftigem unterhalt, domit dieselbigen
zu schimpflichem nachtheile des ministerii nicht
etwan an bettelstab oder schmelichs armuths ge-
raten mochten, forderlich und bedacht sein wolten,
ist darauf mit dem rath mit allem vleisse geredt
und gehandelt worden, darauf sie sich auch aller
billigkeit und woll vornehmen lassen, nemlich das
sie sich gegen ihren unvermogenden kirchendienern
und alten vorlebten pristern und nach derselbigen
todtlichem apgange, auch ihren nachgelassenen
witwen und kindern zu jeder zeit mit behausunge,
herbrigen, auch anderer hulfe und zulage bruder-
lich und christlich und dermassen erzeigen und
vorhalten wolten, das got dem herren gefellig und
ihnen gegen menniglich ruhmlich und unvorweiss-
lich sein solte, mit untertheniger bitte man ihnen
in deme stadt geben und sich dessen genzlich und
unzweiflich zu ihnen vorsehen wolte.
IX.
Als auch ein baumgarten am closter gelegen,
welchen ein erbar rath bisanhero bei sich gehapt,
und aber gebeten worden, dass dieselbe zu besserm
unterhalt der armen ins hospital mochte gewendet
werden, haben sie, der rath, zugesaget und be-
williget, solchen garten so lange das closter nicht
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