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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0086
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Nassau-Dillenburg

man khein privat- noch sonder messen halten, damit
man nit fall in den mißbrauch des sacraments wie-
der den bevelch Christi. Dan es ist uns je nit mug-
lich, das wir furwar wissen und es gewißlich dafur
halten konnen, das wir recht daran thun, wan wir
soliche besondere meß halten, dweil wir kein gottli-
chen bevele noch exempel der alten christlichen kir-
chen davon haben. Dan etwo fur alters solich pri-
vatmessen nit gewest unnd in grekischen pfarhen
noch heutigs tags kein seint, darumb muß man zwei-
veln und sich gentzlich besorgen, das man daran
sundige und unrecht thue mit solichen messen,
welchs den armen gewissen gantz geverlich ist.
Sonderlich aber auch, dweil das soliche wolbe-
khante unnd offenbarliche mißbreuch darbey seint,
als nemblich, das man erdichtet hadt, daß die mess
ein opffer sey, vor andere, beid, lebendigen unnd
totten, geben, unnd helffen soll, vergebung der sun-
de zuerlangen, unnd anders sunst vil meher außrich-
ten, und das ex opere operato24, das ist allein durch
sein, des wercks, selbs eigne krafft, also das weder
des meßhalters noch des, dem die meß zu gutem ge-
halten werden solt, geschicklicheit und unge- |7v|
schicklicheit darzu weder furder noch hinder, unnd
daher, das man die welt solicher lugen unnd true-
gerey zuglauben uberredt hadt, ist alle ketzerey und
der gantze kauffhandel der messen erfolgt. Unnd ist
mit den messen fur die toden wol die grost schyn-
derey getrieben worden, darumb sollen die tiener
der kirchen soliche besondere messen underlassen.
Aber nit destoweniger soll der pharher auff den
bestimbten tag an stat der meß, es sey in der rech-
ten phar oder auff den capellen, sein folck des mor-
gens fruwe zu gelegener stunde, ehe dan es an sein
arbeit gehet, zusamen beruffen und ein kurtz christ-
lich predige thun auß dem catechismo oder sunst
ainen evangelisten oder ein epistel auß dem neuwen
testament furnemen und allemal ein capittel oder

24 Opus operatum, die Lehre von der Wirksamkeit der
Gnadenmittel, vgl. MARTENS, GOTTFRIED, Ex opere
operato - Eine Klarstellung, in: Diestelmann, Jür-
gen/Schillhahn, Wolfgang (Hg.), Einträchtig lehren.
Festschrift für Jobst Schöne, Groß Oesingen 1997,
S.311-323.
25 Ex 20,2-17; Dtn 5,6-21.

ain halbs, wie sichs schicken wil, dem volck furlesen
und desselbigen inhalt und meinung auffs kurtzist
anzaigen, darnach auch die zehen gebott25, glau-
ben26, vaterunser27 den leuten fursprechen, zu letzst
auch bitten fur all gemein geprechen der gantzen
christenhait.
Hett aber ein pfarher ein, zwene oder mher helf-
fer, odder sein folck dermassen underricht und ge-
schickt were, daß es psalmen unnd ander christlich
lobseng syngen kunte, soll es gehalten werden, wie
die ordnung28 davon sagt, dan solicher gotlicher
ubungen sollen noch mugen wir christen nit entra-
ten29 zu sterckung und erhaltung unsers glaubens.
Damit aber nun hiebey nichts arglichs inreisse,
wie dan zubesorgen, es werde nit alles rein pleiben,
sonnder I 8r | der teuffel seinen samen mit hynunder-
sehen30, darumb sollen sie keinen bevorauß teut-
schen gesang in der kirchen zusynngen annemen
oder der gemain zusyngen furgeben, dan allein, wel-
cher gottlicher geschrifft und christlicher lere gemeß
zusein durch den superattendenten oder im synodo
(davon hierunden gesagt) erkant wirt.
So aber ain pharher die wuchen uber bißanher zu
keiner messen verpflichtet gewesen, sol er nicht de-
stoweniger hinfurter ein tag in der wochen, nem-
blich den mitwochen, furnemen, sein volck zusamen
beruffen, ein christliche predige thun und gemein
gebet obgesagter weiß bescheen lassen und das volck
mit hohem fleiß und ernst darzu vermanen.
Es sollen auch die capellan, frumesser und alta-
risten auff den pharhen in steten unnd dorffern an-
stat irer messen zu predigen und gemeinem gebet
verbunden sein. Dergleichen sollen sie iren pharhern
in allen billichen dingen gehorsam leisten unnd in
kirchendiensten behulfflich sein, sonderlich zu zeit
der nott und wen sie darzu erfordert werden.
Wans nun obgesager maß angerichtet unnd an
stat der meß gehalten wirt, so kan je kein rechtver-

26 Apostolisches Glaubensbekenntnis, BSLK S. 21.
27 Mt 6,9-13.
28 Brandenburg-nürnbergische Kirchenordnung von 1533,
SEHLING, EKO XI, S. 188; Osiander, Gesamtausga-
be 5, S. 146f.
29 Entbehren, GRIMM, DWb 3, Sp. 580.
30 Untersäen, einmischen, Mt 13,25.39.

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