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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0315
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32. Kirchenordnung 1574/1576

Forma der offentlichen Poenitentz und Absolution einer Person, welche mit irem unordentlichen leben
ein gantze Christliche gemeine verergert hat

Als in jüngst außgangener und publicirter unserer
dgnedigen Graven und Herrnd Reformation und ver-
ordnung der Kirchendisciplin263 Christlich bedacht,
geordnet unnd befohlen worden ist, daß in etli-
chene groben excessen und uberfahrungenf Gott dem
Allmechtigen zu ehren, den beschwerten gewissen zu
sterckeng und bestendigem trost, auch mehr und
weyter ergernuß beyde, bey den gefallenen und an-
dern Leuten zuverhüten, diejenigen, so mit irer
ubertrettung bey der gantzen Gemeine ergernuß an-
gerichtet haben, zur offentlichen Poenitentz ange-
wiesen und angehalten werden solten, wie wir dann
auch hiervon klaren und außgetruckten befelch ha-
ben deß Herrn Jesu Christi und seiner lieben Apo-
steln, Matthei 5 [23-25]: Wenn du deine gabe etc.;
Matth. 18 [15-17]: Sündiget aber dein Brüder etc.;
1. Corinth. 5 [9-13]: Ich habe euch geschrieben etc.;
2. Tess. 3 [6-15]: Wir gebieten etc.; 1. Timot. 5 [20]:
Die da sündigen etc., Damit dann nun auch in die-
sem stück eine Christliche bescheidenheit und
gleichförmigkeit | m4r ] gehalten werden möge, so ist
demnach vor rahtsam und gut angesehen worden,
daß solche offentliche Poenitens und absolution auff
folgende weise vorgenommen unnd gehalten werden
solt.
Die Person, welche nicht allein vor Gott in irem
hertzen und gewissen, sonder auch vor der gantzen
Christlichen Gemeine unnd versamlung vermöge
Gottes und unserer hgnedigen Graven und Herrnh
Ordenung offentliche busse zuthun erkannt würd,
Sol vom Pfarherr und Senioribus fürgefordert, irer
schwerer sünde und ubertrettung, so sie gegen Gott
und gegen die gantze Christliche Gemein begangen,
mit ernsten, aber doch freundtlichen worten erin-
nert und darbeneben Brüderlich underrichtet wer-
den, wie sie sich halten und erzeigen müsse, daß

d-d Fehlt Agende 1618.
e Agende 1618: offentlichen.
f Agende 1618: uberfahrungen, dardurch die Kirch geär-
gert worden.
g KO/Agende 1609: starckem. Agende 1618: Sterckung.
h-h Fehlt Agende 1618.
i Agende 1618: gebüre sich.

Gott versünet und die verergerte und betrübte Ge-
meine, Brüdern und Schwestern, zu friede gestellt
werden möchten. Dann dieweil die sünde offentlich
am tag und bekandt, damit auch die gantze Gemei-
ne Gottes beleidiget und geergert und viel frommer,
Gottseliger hertzen betrübet, so sey billich und ge-
bürlichi, daß die Christliche Gemeine auch offent-
lich versünet und zuo frieden gestellet und vor der-
selbigen die innigkliche reuwe der begangenen uber-
trettung, andern zur abscheuwe, offentlich bezeugt
werde. Da nun die Person diese freundtliche erin-
nerung und bericht zu gemüt ziehen und sich erken-
nen, auch das ire zu befridigung und versicherung
ires verunrugten264 gewissens gerahten und geholffen
werden möchte, mit demütigen hertzen bitten wür-
de, hat man mit der Poenitentz auffs fürderli[ch]ste
fortzufahren. | m4v |
Im fal aber, gedachte Person tergiversiren265,
ihre begangene sünde schmücken und vertheidin-
gen, sich auch nicht, das ir die offentlich Poenitentz
nütz oder nötig, bereden lassen noch willig sich da-
rinn begeben wolt, sol man nachmals sie mit ernst
erinnern und vermanen, wie schwerlich sie sich an
Gott unnd seiner Kirchen in dem und dem fal ver-
griffen habe, und daß die offentliche Busse ihr, der-
selben Person, gar nicht zur schmach oder verach-
tung, sondern vielmehr zu gutem unnd warhafftiger
sterckung deß Glaubens, auch versicherung ires ge-
wissens und bezeugung irer warhafftigen reuw und
schuldigen gehorsams gegen der Kirchen unnd ge-
mein Gottes gemeinet sey, mit fleissiger, treuwer
einbildung, in was gefahr irer Seelen sie stehe, die-
weil sie sich selbst mit mißhandelung von der ge-
meinen versamlung der Christgleubigen außge-
schlossen habe und, da sie in solcher unbußfertigkeit
beharren und sich mit Gott unnd seiner Gemeine

263 Hier ist der erste Teil der Ordnung gemeint, siehe oben,
S. 208-225.
264 Beunruhigten, beschwerten, Grimm, DWb 25,
Sp. 2039f.
265 Ausflüchte finden.

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