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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0316
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Nassau-Weilburg

nicht versühnen lassen würde, kündt man sie nicht
allein zum gebrauch der heiligen Sacrament unnd
andern Christlichen Actionibus nicht zulassen, son-
dern müste auch in der gefahr stehen, daß sie, auff
den fal, siej mit dem Todt ubereilet würde, also von
Gott und allen rechten Christen außgeschlossen sein
und bleiben und mit irer halßstarrigkeit und wider-
setzung noch immerzu je lenger, je mehr außschlies-
sen würde.
Damit sie auch so viel desto williger unnd berey-
ter sey, sich zur offentlichen Poenitentz zubegeben,
| n1r | sol man ihr mit fleiß fürhalten und einbilden,
die Exempel grosser Könige und Keyser, die man in
der Kirchenhistorien beyd, deß alten und neuwen
Testaments, findet, das sie ire busse auch offentlich
bey den iren und andern leuten, bißweilen auch vor
der gantzen Gemeine zubeweisen und zubezeigen
sich nit geschemet haben, als Davidis, 2. Samuel. 12
[1-25]; Achab, 1. Reg. 21 [27-29]; Joram, 2. Reg. 6
[30]; Hiskie, 2. Reg. 19 [1-34]; Manasse, 2.
Chron. 33 [12-17]; Theodosii apud Theodoretum lib.
4., cap. 17 et 18266 und anderer dergleichen mehr.
Wann dann hiedurch die gefallene Person sich
noch nicht bewegen lassen wil, kan man zur Abso-
lution nicht kommen. Sol ir derwegen vier wochen
bedenckzeit gegeben unnd sie unterdessen fleissig
zur Kirchen zu gehen und Gottes Wort mit gebüren-
der attention und auffmerckung zu hören vermah-
net werden.
Zu außgang der vier wochen sollen Pfarrherr
und Seniores vielgedachte Person widerumb für-
nemmen und mit ir handelen, wie jetzt vermeldet
ist, unnd sol neben gebürlichem ernst gegen ein sol-
che halßstarrige Person auch dermassen freundtlich-
keit und glimpff26' gebrauchet werden, daß sie selbst
erkennen und bezeugen müsse, daß anders nichts
dann irer Seelen heil und wolfahrt gesucht werde.
Und dieses sol mit einer widerspenstigen Person
zum ersten, andern und dritten mal geschehen, und
da sie sich endtlich begibt und weisen lesset, hat
man sie gewonnen, und sol zum für- | n1v | derlich-
j Fehlt Agende 1618.
k Agende 1618: Superintendenten oder Inspectorn.
l Agende 1618: seye.
m-m Fehlt Agende 1618.

sten zur Absolution geschritten werden. Da aber
diese zum dritten mal gehabte der Seniorn mühe un-
fruchtbar sein wolt, sol es der Pfarrherr seinem Su-
perintendentenk anzeigen unnd von im, was weyter
fürzunemen sey, bescheids erwarten.
Wann sich nun die Person, deren die offentliche
Poenitentz vonnöhten, gütwillig finden lesset unnd
erkennet auß angehorter erinnerung, daß sie Gott
und seiner Kirchen einen demütigen fußfahl zuthun
und, damit sie warhafftige Absolution bekomme,
umb verzeihung zu bitten schuldig istl, sol der Pfarr-
herr sie trösten mit Gottes wort. Unnd wann er sie
so weit bracht, daß sie glaubt, Gott werde ir als ei-
nem bußfertigen Sünder oder Sünderin gnedig sein
unnd die begangene sünde verzeyhen, sol er
im268 mit handtgegebenen treuwen verheissen und
zusagen lassen, daß sie hinforters für diesem oder
dergleichen ergerlichem fal und andern sünden wi-
der das gewissen mit Gottes hülff und gnaden nach
allem vermögen sich hüten unnd fürsehen wolte
und, nach gethaner vertröstung, wie sie nach erfor-
derung ihrer gelegenheit offentlich vor der Gemeine
absolvirt werden solt, weß sie sich hinforters in der
Kirchen, wenn die absolution vorzunemmen ist, ge-
halten sol, freundtlich underrichten.
Wann nun die zeit vorhanden, das die Penitentz
deß gefallenen Bruders oder einer Schwestern der
| n2r | Gemeine zu denunciren und die Absolution of-
fentlich zu sprechen ist (welchs dann, soviel es im-
mer müglich, allwegen in den Predigten, da das
Abendmal deß Herrn Jhesu Christi gehalten wirdt,
billich geschicht), sol die büssende Person vor den
Altar tretten oder under dem Predigstul stehen und
alda mit all iren geberden ir bußfertiges gemüht be-
zeugen, und was der Pfarrherr irethalber der Ge-
meine anzuzeigen hat, mit demuth und gedult an-
hören. mDer Pfarrherr aber sol vom Predigstul, ehe
dann er zur Communion oder Dispensation deß
Nachtmals schreitet, deß vorgestelleten bußfertigen
Sünders reuwe, glauben, zusage der besserung und
bekehrung zu Gott anzeigen und im darauff die Ab-
266 Theodoretus, Hist. eccl. 5, 17 und 18, PG 82, Sp. 1232ff.
(cap. 17); GCS 19, 30, Sp. 7ff. (cap. 18).
267 Anstand, Grimm, DWb 8, Sp. 102f.
268 Sich.

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