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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0568
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Ysenburg

Die Kirchenordnung weist weder einen Aussteller auf noch Angaben darüber auf, für welchen Landesteil
sie Giiltigkeit besaß. Die Forschung zur Ysenburger Reformationsgeschichte hat die Ordnung sowohl Graf
Anton von Ysenburg-Ronneburg als auch Graf Reinhard von Ysenburg-Birstein zugeschrieben.21 Mögli-
cherweise war die Ordnung auch in beiden Landesteilen gültig. Da der Text die pfarrer und predicanten uff
dem land und in dörffern anspricht, handelt es sich auf jeden Fall um eine auf ein Territorium bezogene
Ordnung und nicht um ein städtisches Regelwerk, etwa für die gemeinsam verwaltete Stadt Büdingen.
Einmütigkeit herrscht in der Forschung darüber, dass die Ordnung von Johannes Schmelz22 und Dionysius
Roner,23 dem ersten und zweiten Pfarrer in Büdingen, erarbeitet worden war.24
2. Kirchenordnung für die Stadt Büdingen 4. April 1553 (Text S. 572)
Obwohl Heinrich von Bellersheim in Büdingen bereits 1526 evangelische Predigten gehalten hatte, wurde
die Reformation in der Stadt erst Anfang der 1540er Jahre eingeführt. Die Äbtissin des Zisterzienserinnen-
klosters Marienborn, die das Patronatsrecht der Pfarrkirche St. Remigius in Büdingen besaß, übergab
dieses im März 1541 den beiden Stadtherren Anton von Ysenburg-Ronneburg und Reinhard von Ysenburg-
Birstein. 1543 einigten sich beide auf die gemeinsame Besetzung der Büdinger Pfarrkirche und stellten
Johannes Schmelz aus Königstein als evangelischen Pfarrer an. Neben dieser ersten Pfarrstelle richteten sie
eine zweite ein, die sie mit Dionysius Roner aus Esslingen besetzten. Das Jahr 1543 gilt als sicheres Datum
für die Einführung der Reformation in Büdingen.20
Nach dem Interim, das 1548 auch in Ysenburg angenommen werden musste, dessen praktische Umset-
zung die Ysenburger Grafen beider Linien jedoch zu verhindern suchten,26 setzte Graf Anton das Refor-
mationswerk in Ysenburg-Ronneburg fort. 1553 verfassten die pfarher, prediger unnd schulmeister von
Büdingen eine Kirchenordnung für die Stadt (Nr. 2). Neben Johannes Schmelz und Dionysius Roner, die
1553 beide noch als Pfarrer im Amt waren, war auch Schulmeister Kaspar Waldis27 aus Allendorf an der
Werra an der Ausarbeitung der Ordnung beteiligt. Der sprachliche Duktus der Ordnung lässt darauf schlie-
ßen, dass die genannten Amtsträger aufgefordert worden waren, einen Entwurf der Kirchenordnung aus-
zuarbeiten. Hierauf deutet auch der Zusatz übergebenn zu Budingen ... im Titel hin. Die Formulierung vieler
Artikel lässt erkennen, dass die Regelungen zum Zeitpunkt der Abfassung noch nicht in Geltung waren,
sondern erst in Zukunft eingeführt werden sollten.
21 Koehler, Zur Geschichte, S. 65 und Reu, Quellen I,
2/1, S. 451 nehmen an, dass die Ordnung von Graf Anton
für seinen Ronneburger Landesteil erlassen wurde.
Diehl, Reformationsbuch, S. 234 und ders., Evangeli-
sche Bewegung, S. 94 geht davon aus, dass Graf Rein-
hard die Ordnung im Birsteiner Land einführte.
22 Magister Johannes Schmelz hatte in Tübingen und ab
1525 in Wittenberg studiert. Zwischen 1539 und 1543
war er Pfarrer in Königstein/Ts., anschließend bis 1555
in Büdingen, dann bis zu seinem Tod 1575 in Meerholz,
Erhard, PIermann, Memminger Pfarrerbuch (EKGB
55), Neustadt/Aisch 1977, S. 66; Aschkewitz, Pfarrer-
geschichte, S. 567f.; Gramlich, Anfänge, S. 26
Anm. 48; Meyer, Geschichte, S. 89-92.
23 Dionysius Roner stammte aus Esslingen, er hatte sich
1541 in Wittenberg immatrikuliert. Zwischen 1543 und
1562 war er Pfarrer in Büdingen und 1548 Hofprediger
Graf Antons von Ysenburg-Ronneburg (1501-1560).
1553 wurde er in seine Heimatstadt gebeten, nahm die
dortige Predigerstelle jedoch nicht an, sondern kehrte in
die Grafschaft Ysenburg-Ronneburg zurück, Michae-
lis, Grafschaft, S. 119, 189f.; Gramlich, Anfänge,

S. 26 Anm. 49; Diehl, Pfarrer- und Schulmeister-
buchlV, S. 364; Schröder, Tilman Matthias, Das
Kirchenregiment der Reichsstadt Esslingen. Grundlagen
- Geschichte - Organisation (Esslinger Studien 8), Ess-
lingen 1987, S. 144f., 401.
24 Hufnagel, Verhältnisse, S. 80; Gramlich, Anfänge,
S. 26, 38; Meyer, Geschichte, S. 109; Michaelis,
Grafschaft, S. 119; Heppe, Kirchengeschichte 2, S. 241.
25 Decker, Pfarrgeschichte, S. 36-42; Michaelis, Graf-
schaft, S. 116-119; Diehl, Reformationsbuch, S. 206f.,
229; Steitz, Geschichte I, S. 58; Koehler, Zur
Geschichte, S. 66; Simon, Geschichte 2, S. 256; Huf-
nagel, Verhältnisse, S. 80; Stieniczka, Philipp,
S. 218; Heppe, Kirchengeschichte 2, S. 241, 243 Anm. 1;
Hanle, Graf Wolfgang, S. 42f. und Anm. 144.
26 Calaminus, Einführung, S. 22; Meyer, Geschichte,
S. 90f.; Heppe, Kirchengeschichte 2, S. 241f.
27 Kaspar Waldis hatte sich 1542 in Marburg immatriku-
liert und war 1552 als Schulmeister nach Büdingen
gekommen, Diehl, Reformationsbuch, S. 208; ders.,
Pfarrer- und Schulmeisterbuch IV, S. 367.

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