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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0041
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[I1.] Eins Rats der Stat / Nürmberg ordnung des grossen/
allmusens Haußarmer leut.

Glauben und lieben, wie Christus im evan[gelium]
sagt, Mat. am 22. [37-40], sind die zwai hauptstuck
eines rechten christlichen wesens, darin alle andere
gepot Gottes beschlossen werden, in denen auch alles
gesetz und die propheten hangen. Dann Christum zu
lieben, dem allein zu vertrauen und dem negsten zu
tun, wie ich glaub, das mir Christus getan hat, das
ist der einig recht weg, frumm und selig zu werden,
und ist kein anderer. Durch den glauben wurd ein
mensch gerecht, lebendig und selig. Ime ist auch
nichts mer not dann sölchen glauben zu beweisen.
Ja, wo der glaub im menschen ist, da kan er nit ver-
borgen pleiben, sonder pricht offentlich heraus und
alles, was er lebt, würkt und tuet, das richtet er in
des negsten nutz, demselben rätlich und hilflich zu
sein, wie er sicht, das ime Christus getan hat. Und
wo die lieb und werk nit herausprechen, da ist der
glaub gewißlich nit gerecht. Dann die werk der lieb
sind gezeugnus des glaubens. Die liebe aber des neg-
sten, wie der angezaigt spruch des evangeliums lau-
ter zu erkennen gibt, ruet darin, das ich alle men-
schen wie mich selbs liebhaben, das ist, das ich inen
hilf, rate, beistand und alles gut erzaigen, sie nit nöt
leiden, und in summa das beweisen sol, das ich wölt
das sie mir tun solten, und sie des zu erlassen, das
ich von inen geren vertragen sein wölt. Und dise
werk der lieb sind die frucht, die aus einem rechten
lebendigen glauben erwachsen, und heißen darumb
gut, das sie aus einem warhaften vertrauen in Got
fließen und dem negsten zu nutz und gut reichen
söllen. Es würdet auch (nach anzeig des heiligen
evangeliums) ein jeder christenmensch am jüngsten
tag solicher werk halben, nemlich: ob er umb Chri-

Druckvorlage: Originaldruck ohne Buchdrucker,
Ort und Jahr. 4°. 13 Blätter. (NLA 8°. 2382). - Über
die verschiedenen, meist früheren Drucke vgl. Win-
kelmann, Armenordnungen 10, 243-246. - Unsere
Ausgabe legt den amtlichen Druck zugrunde (= Win-
kelmanns Druck A 1). - Druck: Waldau, Vermischte
Beiträge 4, 427-444. — Winkelmann, Armenord-
nungen 10, 258-280. - Ehrle, Franz, Die Armenord-
nungen von Nürnberg (1522) und Ypern (1525), in:

stus willen seine negsten dürftigen armen und not-
leidenden geliebt, sie gespeist, getrenkt, beklaidt,
heimgesucht und in summa inen hilf und handreich
erzaigt hab, und nit, ob er vil messen gestift, kir-
chen gepauet, walfart getan und andere dergleichen
von Christo ungepotene werk geübt hab, rechen-
schaft geben müssen. Deshalb ein iglich christen-
mensch alles sein leben, tun und lassen zu disem ende
richten soll, in Got bestendiglich und unzweifenlich
zu vertrauen und denselben seinen glauben gegen
seinem negsten mit aller brüderlicher lieb, hilf und
guttat umb Christus willen zu beweisen.
Dieweil nun in der stat Nürnberg pisher etwo vil
dürftiger hausarmer und notleidender menschen ge-
west sein, die zu irer und irer verwanten leiplichen
hinpringung und unterhaltung aus not getrungen
worden sein, offentlich auf den straßen und in den
kirchen zu pettelen und das almusen zu haischen;
welches aber unserm glauben nit wenig verletzlich
und schmehlich ist (dann was mag unter uns chri-
sten glaublosers und schentlichers erfunden werden,
dann das wir offenlich gedulden und zusehen sollen,
das die, so mit uns in einen glauben und einer einigen
christenlichen gemeinschaft versamelt, uns mit allen
dingen gleich und von Christo so kostparlich und
teuer erkauft, darumb auch neben uns gleiche glider
und miterben Christi sind, not, armut, zadel1 und
kümer leiden, ja offenlich auf den gassen, und in den
heusern verschmachten söllen). So hat ein erber rate
vermelter stat Nuremberg söliches alles (wie pillich)
zu herzen gefast, dabei auch bedacht, das sich bis-
here vil bürger und ander auswendig personen unter-
standen haben, das almusen on rechte not und ehaft2
Historisches Jahrbuch 9 (1888) 450-479. — Rüger,
Willi, Mittelalterliches Almosenwesen. Die Almosen-
ordnungen der Reichsstadt Nürnberg. Nürnberg 1932.
(= Beiträge zu den Wirtschafts- und Sozialwissen-
schaften 31) 76-90.
1 = Mangel, Gebrechen (Schmeller 2, 1085).
2 Zunächst = gesetzlich gültig, echt, dann über die
gebräuchliche Verbindung von ,,eehafte Not“ -
,,Not“ (Schmeller 1, 6ff.).

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