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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0091
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II 1 Gemeiner Kasten in Kitzingen 1523

len, das solche ordnung erhalten und volzogen werde.
Ans den sollen zwen pfleger geordent, das ampt ein
jar lang zu verwesen, der einer des rats und der ander
aus der gemain sein sol, und ir jeder ein schlussel
zu der truhen und den dritten schlussel die andern
drei aus den gemain haben sollen. Und so einer von
den zweien in gemelter zeit krank oder seiner ge-
scheften halben beladen wurd, mag er einen aus den
vier andern pflegern an sein stat fordern und stel-
len. Auch ob den zweien pflegern etwas fürfiel, das
sie der vier andern pfleger bedorfen, iren rat zu ha-
ben, sie bei inen zu erfordern. Und so die sach der-
gestalt weren, das die bei gemelten verordenten nit
ausgetragen werden möcht, so sol und mag die für-
ter an ein erbern rat gelangen, iren beschaid und
unterweisung darauf auch zu empfahen.
Und auf das solich christlich, löblich werk und
ordnung dester statlicher fürgenommen und erhal-
ten werde, wurd man hie zwischen Martini5 mit aus-
tailung des almusen aus gemelter truhen still steen
und nichts dester minder darein sammeln und bit-
ten und fürter, nachdem und als von gelt darein ge-
fallen, dasselbig wuchenlich den hausarmen leuten
mittailn nach gelegenhait eins jeglichen armut und
des almusens vermögen.
Und damit das man also wiß, wem das almusen,
als vorsteet, zu geben sei, sollen alle betler in der
stat und den vorstetten6 auf ein nemlichen tag und
ort durch ein sunderliche, offenliche verkündung be-
ruft und alle jung und alt mit iren tauf- und zu-
namen aigentlich be[s]chriben werden.
Item so sie dann also verzeichent seind, sol man
etlich burger und ander erber personen, die weder7
gunst, freundschaft noch feindschaft ansehen und
der armen wesens und herkummens wissen tragen,
darzunemen und aus inen allen erstlich die schwech-
sten und notturftigisten und sunderlich die, so sich
bei gemainer stat geUtten haben, auch derhalb in
arrnut gefallen und verdorben seind, herauswelen
und in ein sunderlich register beschreiben.
Auch denselben erwelten personen, sie sein mans-
oder weibsbilder, besunder zeichen nach ansehen

5 = von heute (30. Aug.) bis Martini (11. Nov.)
( Grimm 16, 2334).
6 Als Vorstadt läßt sich nur Etwashausen (auf dem
anderen, linken Mainufer) bezeichnen.

und gut bedunken burgermaister und rats gegeben
werden, offentlich anzuhenken und zu tragen, dar-
durch erkant werde, wem das almusen zu nemen
vergönt ist oder nit. Und wo der person eine on so-
lich zeichen funden wurd, hat es sein ernstliche straf,
auf das sie wirtsheuser und ander unzimliche ort
meiden. Man wirt auch in den wirtsheusern, davor
die armen irs gelts vil unnützlich anwerden8, ver-
bieten, der kainen zu bewirten oder zu beherberi-
chen, damit solich der armen unnotturftig trinken,
zern, füllerei und spil abgestelt werd.
Es sollen auch die geordenten pfleger mitler zeit
allen fleiß ankeren, die offen betler hie zu Kitzin-
gen, so sich bishere hie enthalten, auf der gassen und
vor den kirchen mit gedachtem almusen zu stillen,
inen zimlich handreichung zu tun, damit dasselbig
offenlich betteln von ersten abgestelt werden mög.
Item die frembden, herkummen betler, so nit bur-
ger oder burgerskinder und bei der herschaft nit ver-
armbt seind, sollen auch von Michaelis an nit mer
hie betteln. Und das zu verkummen9, wirt manunter
allen torn bestellen, auch in der stat und vorstat ein
aufmerken auf dieselben haben, die abzuweisen und
nit in die stat zu lassen.
Ob aber ein armer, kranker frembder betler für
das tor köme und mangel an leibsnarung hette, der
sol durch den torwarten den pflegern angezeigt und
alsdann durch dieselben pfleger solchem armen, kran-
ken menschen ein zimlich hilf aus den gemainen almu-
sen gegeben werden, damit der fürter kummen mög.
Item es werden auch die geordenten pfleger bei
iren eidspflichten, so sie sunderlich darumb tun müs-
sen, mit allen fleiß das obgemelt almusen haus- und
andern armen leuten, die es am notturftigisten sein,
austailen und sunderlich forschung haben derjenen
(die es empfahen) leben, wesen, gewonheiten, her-
kummen und übung, irer eerlichen oder unerlichen
verarmung, als vor steet, und hierinnen nit ansehen
weder gunst, freundschaft noch ichts anders, das
dises christlich fürnemen irren möcht.
Item wo aber mans- oder weibspersonen unter ge-
melten armen, so zeichen haben, gefunden wurden,
7 Im Text fehlerhaft „werder“.
8 = ohne werden, verlieren (Schmeller 1, 84).
9 = verhüten (Schmeller 1, 1248).

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