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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0161
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III 4 a Kirchenordnung 1533

erhalten und aufrichten, so müssen sie nicht allein
mechtig darinnen sein, sunder auch zu aller zeit be-
rait und gefast. Das bedarf dann abermals nicht
weniger übung und teglichs anhaltens in der heiligen
schrift dann, wann man die gewise raine leer pflan-
zen und erhalten will.
Zum dritten sein sie auch schuldig die wider-
sprecher zu strafen und mit gewisen grund zu über-
zeugen. Dann der Satan fleist sich des am allermai-
sten, wann er nur kann, das er die rechten, gewisen,
hailsamen leer verfelsche, mancherlei irtumb, secten
und ketzerei anrichte und also den glauben haim-
lich unterdrücke und gleich dahin stell, auf das er
sein reich im frid behalte. So sicht man das täglich
vor augen, das die ketzer ir falsche leer auch mit
der heiligen schrift unterstehen zu erhalten, wiewol
sie dieselben unrecht verstehen und füren. Wie Pe-
trus anzaigt und spricht [2. Petr. 3,15 f.], das in
sanct Paulus briefen etlich ding schwer zu verstehen
sein, weliche die ungelirnigen und leichtfertigen ver-
wirren, wie auch die andern schriften zu irem aigen
verdamnus.
Es ist auch kein wunder; dann der Satan selbs hat
sich solicher listigkeit gegen Jesu Christo unserm
Herren gebraucht, da er ine auf die zinnen des
tempels in der heiligen stat Jerusalem stellet und
sprach zu ime: Bist du Gottes sun, so laß dich hin-
ab; dann es stehet geschriben: Er wirdt seinen engeln
über dir befelch tun und sie werden dich auf den
henden tragen, das du deinen fuß nicht an ein stain
stoßest [Math. 4, 6].
Wann nun die rechtgeschaffen prediger die leut
mit ernst zu der heiligen schrift weisen und dann
soliche verfürer kummen, so wirt ir irtumb von den
einfeltigen, schlechten menschen nur dester ehe an-
genummen; dann sie sind gewonet, der schrift zu
glauben und können doch nicht allweg urtailn, we-
lichs der schrift rechter verstand sei oder nicht. Da
ist dann von nöten, das die bischof und prediger der
sachen helfen, den irtumb aufdecken, den wider-
sprechern das maul stopfen und also ire befolhene
schäflein vor der verfürung erretten wie Paulus er-
fordert [Tit. 1, 10 f.]: Dann es sein vil freche und un-

nütze schwetzer und verfürer, die da ganze heuser
verkeren und leren, das nicht taug umb schendlichs
gewins willen.
Solich strafen und überwinden geschicht gemaink-
lich in zwen wege. Und ist der erst, wann man schrift
gegen schrift helt und also den mißverstand über-
zeuget und aufdeckt, wie Christus unser Herr dem
Satan tet; dann da ime der Satan den spruch aus
dem Psalrn [91, 11f.] fürhielt, die engel würden ihn
auf den henden tragen da hielt er dagegen den spruch
aus Mose [5. Mos. 6, 16]: Du solt Gott deinen herrn
nicht versuchen [Matth. 4, 6f.], und überzeuget den
Satan damit, das er den spruch aus dem Psalm miß-
brauchet.
Der ander weg ist, wann man die schrift recht an-
sihet und beweiset eben durch dieselben ein andere
mainung dann die irrigen fürgeben, und schlecht sie
mit irem aigen schwert, als wann die schwirmer
sprechen ,,Christus sitzt zur gerechten Gottes. Dar-
umb kan er nicht im abentmal gegenwürtig sein“1.
So ist denn unser antwort, ja eben darumb, das er
zur gerechten Gottes sitzt, glauben wir nur dester
fester, das er im abentmal sei; dann die gerecht hand
Gottes ist überall an allen orten und wir leben und
weben darin und werden durch dieselbigen erhalten,
wie David auch im 63. Psalm spricht [9]: Mich hat
dein gerechte hand gefast. So nun Christus zur ge-
rechten Gottes sitzt, so kan er sein, wo er will; dann
wo nicht, so seße er auch noch nicht zur gerechten
Gottes.
Nun bedürfen dise bed weg ein große und stete
übung in der heiligen schrift; dann schrift gegen
schrift halten, erfordert, das man die schrift allent-
halben wisse. Und schrift durch sich selbs im rech-
ten verstand zu erhalten, erfordert, das man sie gar
fleißig ansehe und ir tief nachgedenk, wie sie dann
des alles wol wert ist, und nimmer von uns in disem
leben mag gar ausgegründet werden.
Und da sihet man, wie ein schwere pürde der hei-
lig Paulus einem bischof auflegt mit disen wenigen
worten, da er spricht [Tit. 1, 9]: Er soll ob der ge-
wisen ler halten und mechtig sein zu ermanen und
die widersacher zu strafen. Welicher pürde wir hie-

1 So z.B. Zwingli in seiner Amica exegesis von 1527
(Zwinglis Werke, heraug., von Schuler und Schult-
heiß 3,520).

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