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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0160
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Brandenburg und Nürnberg gemeinsam

erlangen, ihr aigen oder anderer menschen gutbe-
dunken und wolgefallen (weliches in göttlichen sachen
ungewiß und verfürisch ist) fürtragen und leren wöl-
ten, wie doch bishero an vilen orten lange zeit mit
großem schaden der gewissen geschehen ist, sunder
sie sollen allein das heilig, lauter und rain wort Got-
tes, das in der heiligen schrift verfast und gewiß ist,
fürtragen und leren. Dann David spricht: Alle men-
schen sind lügner und Paulus [1. Kor. 2, 14]: der
natürlich mensch vernimbt nichts vom gaist Gottes.
Und Jesaias [40, 6 ff.]: Alles flaisch ist heu und
all sein güte ist wie ein blum auf dem feld. Das heu
verdorret und die blum felt ab. Aber das wort unsers
Gottes bleibt ewiglich. So dann die menschen lügner
sein, nichts versteen und ihr güte (darinnen on zwei-
fel auch ir weisheit begriffen ist) dahin felt wie ein
dürre blume, wie möcht dann ir aigen gedicht und
gut bedunken ein gewise leer sein ?
Die heilig schrift aber ist gewiß; dann sie ist nicht
von menschen, sunder durch den Heiligen Gaist dar-
getan, wie der heilige Petrus bezeugt und spricht
[2. Petr. 1, 20 f.]: Das solt ir für das erst wissen, das
kein weissagung in der schrift geschicht aus aigner
auslegung; dann es ist noch nie kein weissagung aus
menschhchem willen herfür gebracht, sunder die hei-
ligen menschen Gottes haben geredet, getriben von
dem Heiligen Gaist.
Derhalben sein die ungewisen menschenleer ver-
geblich und schedlich, wie der Herr Christus [Matth.
15, 7 ff.] und Jesaias der Prophet [Jes. 29, 13] sagen.
Aber die gewiß heilig schrift ist nützlich und hail-
sam, wie das auch Paulus bezeugt und spricht
(2. Tim. 3, 16 f.): Alle schrift von Gott eingegeben
ist nütz zur leer, zur straf, zur pesserung, zur züch-
tigung in der gerechtigkeit, das ein mensch Gottes
sei volkummen, zu allen guten werken geschickt.
Sollen sie nun nicht allein eitel gewise leer füren,
sunder auch nach den worten des heiligen Pauli
[Tit. 1, 9] darob halten, so müssen sie warlich die
heiligen schrift für sich nemen, sich fleißig darin
üben, dieselbigen allein fürtragen und alle andere
leer darnach urtailen.
Zum andern sein sie schuldig, diejenen, so die ge-
wise leer von der gotsehgkeit angenummen und ge-
fast haben, zu ermanen und mit solicher vermanung
ernstlich und emsiglich anzuhalten, das sie diesel-

bigen leer behalten, sich fröhlich Gott darauf ergeben
und mit einem guten christlichen wandel beweisen.
Dann unser widersacher der Teufel feiret nicht, sun-
der gehet on unterlaß umbher wie ein brüllender Löw
und sucht, welichen er verschlinden möcht, wie Pe-
trus sagt [1. Petr. 5, 8], und tut das nicht allein mit
bösen giftigen anfechtungen und anraizungen wider
Gottes gepot, sunder auch mit eußerlichen, scharpfer
verfolgung und falscher, verfürischer, gleißender
leer wider den glauben, wie wir das teglich erfaren.
Darumb ist hoch von nöten, das die einfeltigen
schwachen christen von iren hirten und seelsorgern
aufs fleißigist und freundlichst vermant, gesterkt
und getröst werden, auf das sie ime widerstand tuen,
festiglich beharrend im glauben, wie uns der heilig
Petrus gelert hat [1. Petr. 5, 9].
Nun kan man soliche vermanung, sterkung und
tröstung an kein sunderliche zeit und stat pinden,
sunder sie müssen frei sein und geen nicht allein in
den ordenlichen predigen, sunder auch zu andern
zeiten und an andern orten, wie es die notturft er-
fordert und sich füg und ursach zutregt, wie das
der heilig Paulus zum Timotheo fein anzaigt und
spricht [2. Tim. 4, 1 f.]: Ich bezeug vor Got und dem
Herren Jesu Christo, der da künftig ist zu richten
die lebendigen und die toten mit seiner erscheinung
und seinem reich. Predig das wort, halt an, es sei
zur rechten zeit oder zur unzeit, straf, troe, ermane
mit aller gedult und leer!
Es sollen auch soliche vermanung nicht faul,
schleferig und kalt, sunder inprünstig und kräftig
sein, auf das sie den leuten zu herzen geen und sie
zu besteen und fürzufaren herzlich bewegen, wie das
der heilig Paulus genug zu verstehen gibt, da er
spricht [Tit. 1, 9]: Ein Bischof sol mächtig sein zu
ermanen. Das geschicht aber am pesten, wann sie
Gottes gepot und troen sambt den erschröcklichen
exempeln seines götlichen zorns den leuten fürhal-
ten, auf das sie sich vor sünden hüten, desgleichen
Gottes gnad und zusagung sambt den tröstlichen
exempeln seiner götlichen hilf und rettung anzaigen,
auf das sie im glauben bestehen und durch allerlei
leiden und trübsal unter dem creutz mit gedult hin-
durch kempfen.
Darumb wöllen sie irem befolhen ampt treulich
vorsteen und mit solicher vermanung die schwachen

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