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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0178
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Brandenburg und Nürnberg gemeinsam

gebung der sünde vergossen werde [Matth. 26, 28];
dann das neu testament ist das, darin der sünde nicht
mer gedacht wird, Jeremie 31. [34]; Hebre. 8. [12].
a
Vom Kreuz und leiden.
Es bleibt aber nicht unterwegen, wo man also
leret und lebet, es folget kreuz und leiden hernach;
dann der Satan kann weder die rainen lere noch das
christenlich leben leiden, sunder er erreget und er-
wecket darwieder alles das, des er mechtig ist. Er
ist. aber geweltig und mechtig über die ganze welt
(dann die Christen sein nicht von der welt, wie Chri-
stus selbs zeuget, Johan. 15 [19]). Darumb nen-
net in Christus ein fürsten diser welt, Johan. am
12. (31), und Paulus ein gott diser welt, 2. Corinth.
4 (4). Ist er nun ein fürst und ein gott diser welt,
so dörfen wir uns nichts anders versehen, dann das
er sambt seiner welt sich wider uns setzen werde
und baide, die rainen leer und das gut leben, an-
fechten. Das er aber die leer anfechten werde, zaiget
Christus seinen jüngern klärlich an, do er spricht
Johan. am 15. [20]: Haben sie mich gehört, so wer-
den sie euch auch hören, haben sie mich verfolgt,
so werden sie euch auch verfolgen. Es ist der jünger
nicht über den maister. Desgleichen das er das gut
leben auch verfolgen werde, zeuget Paulus, 2. Ti-
moth. 3. [12], und spricht: Alle die gotselig leben
wöllen in Christo, die werden verfolgung leiden. Dar-
umb ist hoch von nöten, das die diener des worts,
ir volk fleißig unterrichten, trösten und sterken, auf
das sie sich recht in das leiden schicken und es mit
gedult uberwinden. Dann man höret hin und wider
vil ungeschickter, gotslesterlicher und aberglaubi-
scher rede von denen, die in groß leiden und trübsal
kummen. Wann man sie unterrichtet, das leiden
kumme von Gott, so sagen sie: Jawol, es kumbt vom
Teufel und nicht von Gott. Wann man sie dann
tröstet, Gott züchtige die, die er lieb hab, so sagen
sie: Ei, so wolt ich gern, das er mich nicht so lieb
hette, und wann in ein schad oder unglück unver-
a 1591 : +Das sechste capitul.
1 Gemeint ist der Aberglaube des Kristallsehens (Ba-
rillen = Beryllus, auch = Bergkristall). In einer von
einer als Medium dienenden Person gehaltenen
Kugel aus Kristall oder in einem mit Wasser ge-

sehens zusteet, des ursach sie mit irer unversten-
digen vernunft nicht begreifen können, so sprechen
sie alsbald, es sei durch zauberei geschehen, und
solicher aberglaub regiert sunderlich bei dem einfel-
tigen paursvolk. Daraus folgt dann auch, das sie
warsager, zauber, barillenseher1, teufelsbeschwerer
und andere solche gotlose leut rats fragen und nit
allein fragen, sunder iren lügen auch glauben und
gemainklich die frümbsten, unschuldigsten leut im
verdacht haben und hinter rück gegen andern leuten
vermeeren2, darzu ire teufelskünst und hilf annemen,
folgen und gebrauchen derselben, dardurch sie in
abgötterei fallen, weliches alles soliche große und
greuliche sünde sein, darumb gewißlich Gottes zorn
kumbt uber die kinder des unglaubens, wie Paulus
spricht [Eph 5, 6].
Auf das nun soliche greuel ausgereutet und das
christenlich volk zu warer gedult gezogen werde,
sollen sie vom kreuz und leiden ungeferlich auf diese
weise leren.
Zum ersten: Wiewol es war ist, das der Satan mit
all seinen glidern ein heftige und giftige begird hat,
den frummen gotteskindern allerlai schadens zu
tun, an leib und seel, an eer und gut, wie Petrus
spricht [1. Petr. 5, 8], er gehe umbher wie ein brül-
lender löw und such, wen er verschlinde, so ist doch
gewiß, das er nicht ein harbrait schaden tun kann,
es werde im dann in sunderheit von Gott verhengt
und zugelassen, wie Christus Mathei am 10. [29 ff].
leret und spricht: Man kauft zwen sperling umb ein
pfennig und felt doch derselben kainer auf die erden
on den willen euers Vaters im himel. Nun aber sein
auch alle eure har auf dem haubt gezelt. Darumb
förcht euch nit, ir seit besser dann vil sperling! Und
man sicht solichs auch klärlich in der historien des
heiligen Hiobs, dem der Satan kein laid, weder am
gut noch am gesunde noch am leib dörft zu fügen,
es erlaubet ims dann Gott der Herr [Hi. 1, 12; 2, 6]
zuvor. Ja, es sein auch vil tausend guter engel umb
uns her, die uns beschützen und beschirmen, wie der
Prophet Elisa seinem diener zaiget, da in der König
füllten kugeligen Glas glaubte man vergangene und
zukünftige Ereignisse sehen zu können (vgl. Bäch-
told, 5,576ff.).
2 = vermären, bekannt machen (gewöhnlich in unent-
schiedenem oder guten Sinn [Schmeller 1,1635],
hier aber = verleumden).

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