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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0186
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Brandenburg und Nürnberg gemeinsam

dienst willen, welches mißbrauchs, in diesen letzten
zeiten die welt vol worden ist, wiewol es im anfang
nicht im brauch ist gewest. Desgleichen ist, wann
ein mensch etwas bitt, das er nicht bitten soll, wel-
ches auch so manigfeltiglich geschehen ist, das es
niemand erzelen kann. Solichen mißbrauch zu weren,
sol man den leuten die wort Pauli (wir wissen nicht,
was wir bitten sollen, wie es sich gepürt [Röm. 8, 26]
fleißig einbilden und sie zu den gebeten allein ziehen,
die uns in der heiligen schrift fürgestelt sein, auf das
sie gewiß seien, das sie nicht unrecht, sunder nach
dem willen Christi bitten.
Der ander mißbrauch ist, wann man bitt, von
denen man nicht bitten soll, als wann man die hei-
ligen anruft nicht allein, das sie für uns bitten, sun-
der auch das sie selbs uns helfen und geben sollen,
was wir dörfen, als wann man von Sanct Sebastian
bittet, er soll behüten vor geschoß und pestilenz,
Sanct Anthoni vor dem wilden feuer 3 etc., oder wann
man der heiligen bilder anruft, als werens die hei-
ligen selbs, wie die tun, so wallenlaufen zu den
bildern, welcher abgötterei die welt auch vol ist wor-
den. Disem mißbrauch zu weren, sol man die leut
fein seuberlich von den heiligen wider zu Gott füren.
Erstlich mit dem, das wir kein befelch haben, die
gestorbenen heiligen anzurufen. Darumb sein wir
ungewiß und müssen zweifeln, ob wir recht daran
tun oder nicht. Zweifeln wir aber, ob es recht sei,
so geet es nicht aus dem glauben und ist sünd; dann
alles was nicht aus dem glauben geht, ist sünd, wie
Paulus sagt [Röm. 14, 23]. Darnach auch mit dem,
das uns der Heilig Gaist in der heiligen schrift kein
gebet gelert oder fürgestelt hat, das sich auf einen
heiligen raimet. Darumb wöllen wir nach seinem
willen bitten, wie wir dann tun müssen, soll wir
anderst erhört werden, so können wir kein heiligen
anrufen, wann wir schon gern wolten. Dann wie
würde es sich reimen wann wir Sanct Peter oder ein
andern heiligen anrufen wolten und sprechen: Vater
unser etc. Er ist ja nicht Gott noch unser Vater. Des-
gleichen würd sichs auch nicht schicken, wann man

3 = Antoniusfeuer = die brandige Form der Mutter-
kornkrankheit, die durch den Genuß mutterkornhal-
tigen Brotes verursacht wurde (LThK 1, 515).
4 Cäcilia = 22.November.
5 Wohl wegen des Verses 3: „Zücke den Spieß und

ine mit einem psalm wolt anrufen. Darumb wer hei-
ligen wil anrufen, muß es allein mit menschen ge-
dichten tun. Mit denjenen gebeten die uns Gott leret,
ist es unmüglich zu tun. Endlich wird solcher miß-
brauch auch geweltiglich gestürzt durch Gottes ge-
pot, weliches Christus, unser lieber Herr, selbs dem
Satan unter die nasen hielt und sprach: Es steet ge-
schriben: Du solt Gott deinen Herren anbeten und
demselbig allein dienen, Mathei am 4. [10]. Sie sollen
sich aber fleißen, das sie die leut von anrufung der
heiligen mit solcher beschaidenheit weisen, das die
rechten heiligen dardurch nicht verachtet oder ver-
uneert werden. Dann es ist ein großer unterschied
zwischen anrufen und eeren. Das ist aber die rechte
eer der heiligen, wann man Gott lobt, der in soliche
gnad geben, und die heiligen darumb, das sie der-
selbigen gnad wol gebraucht haben, und wird dar-
durch gesterkt im glauben, das man hofft Gott
werde gegen uns auch also gnedig sein, und an-
gezündt im fürsatz, das man ernstlich anfahet, irem
exempel nachzufolgen. Also hat die christenlich
kirch die heiligen im anfang geeret, aber nicht an-
geruft, wie man sicht in diesen gebet von Sanct
Cecilia: Allmechtiger Gott der du uns mit dem jer-
lichen fest deiner heiligen junkfrauen und marterin
erfreuest, gib uns, das wir der, die wir eeren, exem-
pel des guten wandels mögen nachfolgen!4
Der dritt mißbrauch ist, wann die wort des ge-
bets, das sunst christlich und auf Gott allein gericht
ist, auf ein bösen falschen sinn gezogen wird, als
wann man mit dem Vater unser blut verstellen oder
die wölf pannen will, das sie die schaf nicht fressen,
oder, wann der 35. Psalm soll ein segen für hauen
und stechen sein5, und dergleichen unzeliche miß-
breuch, die haimlich schleichen und von den aber-
glaubischen gebraucht werden. Bei diesem miß-
brauch sollen sie anzaigen, wie große sünd soliche
aberglauben, ketzerei, abgötterei und verfelschung
des worts Gottes seien. So wird er auch dahin fal-
len. Es ist aber ja ein rechte, greuliche verfelschung
des worts Gottes und des heiligen gebets, wann mans
schütze mich wider meine Verfolger! Sprich zu mei-
ner Seele: Ich bin deine Hilfe!“ zum „Festmachen“
verwendet. Unter den zahllosen zauberischen Hilfs-
mitteln dazu, die Bächtold 2,1353-1368 dafür
nennt, findet sich dieser Psalm aber nicht.

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