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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0192
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Brandenburg und Nürnberg gemeinsam

Gottes reich gehört. Wo steet es aber geschriben
oder wo hat es Gott gepoten, das man früe und nicht
nachmittags predigen sol ? Ich wils nicht tun; dann
ir wölt mir da ein menschenleer aufrichten. Der will
ich nit annemen noch folgen. Wer wolt da nicht ver-
stehen, das ein solicher prediger aus unverstand ant-
wortet und noch nicht weste, was menschenler we-
ren ? Dann man möcht im also antworten: Lieber,
sagt man doch nicht, das nach mittag predigen sünd
sei und vor mittag predigen zur seligkeit nötig, sun-
der man sagt allein, das uns die predig früe geleg-
ner und nützlicher sei dann nach mittag. Das ist
aber kein menschenlere, wie das droben gnug be-
weiset ist.
a
Von der tauf.
Man sol bei allen kirchenbreuchen fleißig war-
nemen, was Gott befolhen und eingesetzt hat und
was die menschen darzu getan haben, auf das man
das götlich für die rechten haubtsumma halte und
fleißig ausrichte, die menschlichen zusätze aber ur-
teil, obs freie ding seien oder nicht, und so sie frei
sein, obs auch nutz seien oder nicht, auf das man,
was wider Gottes wort oder sunst unnütz ist, abtue.
Nun hat Gott die tauf selbs eingesetzt und ge-
ordent, das man taufen soll mit wasser im namen
des Vaters und des Suns und des Heiligen Gaists. So
haben die menschen darzu getan aus aigner be-
wegung gebet, evangelion, gevattern, westerhembd1,
taufsegnen2, öl3, salz4 und kot5 etc. Was nun der
ding nutz und pesserlich ist, soll man noch zur zeit
a 1591 +: Das eilfte capitul.
1 = Taufkleid (Schmeller 2,1043f.). Vgl.das Tauf-
formular von 1524 (S. 37).
2 Das Taufwasser wird äm Karsamstag und an der
Pfingstvigil (dem Samstag vor Pfingsten) geweiht
(Agenda aiiij—bij. — Hartmann 523. 597ff.).
3 Das zur Weihe des Taufwassers und bei der Taufe
selbst verwendete Öl (Chrisma) wird am Gründon-
nerstag vom zuständigen Bischof in der Kathedral-
kirche geweiht (Hartmann 595ff.).
4 Das bei der Taufe verwendete Salz wird nach beson-
derer Vorschrift geweiht (Hartmann 832). — Zur
Verwendung vgl. S. 34 und 99!
5 Zur Verwendung wie bei Anm.4.
6 Auch ohne seine Überzeugung von der Wertlosigkeit
einer Taufe ohne vorhergehenden Glauben preis-
zugeben, konnte sich ein Wiedertäufer damit vor den

lassen bleiben; was aber unnütz und ergerlich ist,
sol man lassen fallen.
Das man nun gebet darbei spricht. und das heilig
evangelion liset, ist nicht allein frei, sunder auch
nütz und gut. Darumb soll mans lassen bleiben. Des-
gleichen auch die gevattern, sunderlich umb der
widertaufer willen, die jetzo fürgeben, sie wissen nit
ob sie getauft seien oder nit6, auf das die gevattern
fürnemlich neben andern leuten zeugnus geben und
in zweier oder dreier zeugen mund alle sach bestee,
Deutero am 19. [15]. Auch darumb, das jemand für
das kind antworte und so im seine Eltern zu früe
durch den tod abgingen, das sie die kinder erinnern,
was sie von iren wegen in der tauf zugesagt, und ein
fleißig aufsehen auf sie haben, damit sie demselben
nachkummen und Gottes gepot, glauben und gebet
lernen.
Aber das taufsegnen, öl, salz und kot verdunkeln
mer die wesenhchen stück der tauf; dann sie fürdern
und dienen nur zu aberglauben. Darzu sein die ge-
bet und segen, darmit tauf, salz und öl geweihet wer-
den, in Gottes wort nicht gegründet, sunder demsel-
ben in vil weg ungemeß, auch dieweil die heilig
christlich kirch von anfang here soliche ding nie für
nötig geacht, sunder allweg frei bekant hat, wann
ein kind mit schlechtem, gemainem wasser im na-
men des Vaters und des Suns und des Heiligen Gaists
getauft sei, ob schon die andern zusätz alle unter-
wegen blieben sein, so sei daran gar nicht unrecht
geschehen, sunder das kind sei recht getauft7. Dar-
umb soll man dise ding diser zeit unterwegen las-
sen.
weltlichen Folgen einer Wiederholung einer Taufe
(Die betr.Reichsgesetze von 1529ff.bei Bossert,
Gust., Quellen zur Geschichte der Wiedertäufer.
1.Band: Herzogtum Württemberg [Leipzig 1930; -
Quellen und Forschungen zur Reformationsge-
schichte 13] 1*—6*) mit dieser Ausrede zu schützen
suchen wie etwa bei einem Verhör in Landshut
(Schornbaum. Karl, Quellen zur Geschichte der
Wiedertäufer. 5.Band II. Abt.: Bayern, II. Abt.
[= aaO.23] Gütersloh 1951. 22). - Mit diesem Hm-
stand unter anderen hatte auch Zwingli im Mai 1526
seine Forderung nach Anlage von Taufbüchern be-
gründet (CR 92 [ = Zwingli 5] 200), ebenso die Leut-
priester von Zürich (E. Egli, Aktensammlung zur
Geschichte der Züricher Reformation in den Jahren
1519-1533. Zürich 1879. Nr. 982).
7 Wie auch damals die Kirche über die Nottaufe lehrte.

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