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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0195
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III 4 a Kirchenordnung 1533

und je mer angst und großen elends wir empfinden,
je gewisser sollen wir glauben, das Gott bei uns ver-
borgner gestalt in kraft der tauf durch sein wort und
gaist würke tötunge unsers sündlichen, alten lebens
und verneuerung desselbigen. Darumb sollen wir ge-
tröst und frölich in unsern gewissen und sicher sein,
das Gott unsere werk gefallen, und so uns leiden oder
anfechtung zuhanden kumbt, sollen wir gedenken,
das wir getauft sein und das Gott in kraft des tauf-
punds durch den tod Christi an uns alles bös getödt
hab und noch täglich durchs leiden tötet, dargegen
aber würke verneuerung des gaists in kraft der auf-
ersteung Jesu Christi. Darumb sollen wir nun Gott
billich danken und umb sein unaussprechliche gna-
den loben, darneben aber auch ernstlich und an-
dechtiglich bitten, das er sein angefangen werk vol-
bringen wölle an uns und an allen denjenen, so zum
christlichen tauf berufen und gebracht werden.
Es sollen sich auch die pfarherr und prediger be-
fleißen, das sie zu gelegner zeit in iren predigen das
volk von der tauf dermaßen unterrichten, das sie
inen zu gemelten verstand und betrachtung ursach
geben.
Und dieweil bisher in der christlichen gemain ein
löbliche und wolgegriindte gewonheit gehalten ist,
das alle christenliche personen, fürnemlich aber die
hebammen zur zeit der not die kindlein getauft ha-
ben, weliches man dann jachtaufen genennet hat, so
sollen die pfarherren die hebammen aufs fleißigist
unterrichten und vermanen, das sie ernstlich und
in der forcht Gottes mit der tauf umbgehen, für-
nemlich aber, das sie die wort (Ich tauf dich im na-
men des Vaters und des Suns und des Heiligen Gaists)
recht verstendiglich und ordenlich wissen zu spre-
chen. Neben dem soll man auch die weiber ver-
manen, die bei den schwangern und geberenden wei-

10 Siehe S. 38. 11 Siehe S. 135.
12 Aus der 3.Mos.12 den Juden gegehenen Vorschrift
entsprang die Sitte, die Wöchnerinnen am 40. Tage
nach der Entbindung aus ihrer Unreinheit (oder:
aus dem Hause) herauszusegnen (Aussegnung, puri-
ficatio) oder sie wieder in die volle Gemeinschaft der
Kirche einzuführen und einzusegnen (Introductio,
Einsegnung) (Hartmann 588. - Thalhofer in:
Wetzer 1,1709-1713. — Braun 372. — Rietschel
617-620. -Vgl.auch S. 135 Anm.3!). - Ob diese Aus-
segnung dann tatsächlich im Bereich unserer Kir-

bern, auch bei jachtaufen sein, das sie mit fleiß und
erberkeit auf die sach acht haben, allerlei beschwe-
rung und irrung zu verhüten.
Und wer also, wie oben vermelt, jachgetauft ist,
der soll dabei bleiben, und ist on not, denselben zum
andern mal (sub condicione10) zu taufen, wie vor-
mals ein unnötiger mißbrauch gewest ist, sunderlich
darumb, das man nicht den widertaufern ires irtums
große ursach gebe.
Es sollen auch die pfarherr und prediger die kind-
betterin unterrichten, das sie nicht in gewalt des
Teufels sein11, wie mans bisher nicht on sundern
nachtail der gewissen darfür gehalten und gröblich
daran geirret hat. Und ob sie etwo wol vor andern
kranken seltzame gesicht und treum haben, soll sie
doch das keineswegs erschrecken; dann solichs wol
aus überiger schwacheit des leibs begegnen kann.
Und ob sich vielleicht der Satan untersteet, die
kindbetterin mer dann ander leut anzufechten, tut
ers on zweifel darumb, das er den eelichen stand,
den Gott gesegnet hat, und Gottes werk dardurch
veracht mache, als ob es unrain were, wie dann sein
art ist, so es doch heilig ist und eben der weiber für-
nembster beruf, dardurch sie Gott gefallen, wie Pau-
lus spricht: Sie wird selig werden durch kinderge-
beren, so sie bleibt im glauben und in der liebe
und in der heiligung sambt der zucht, 1. Timoth.
[15].
Darumb ist auch das einsegnen nach dem kind-
bett12 nicht von nöten; dann es aus lauter aber-
glauben fleust, gleich als weren sie durch die geburt,
die aus Gottes segnen kumbt, entheiliget. Doch sol-
len sie nichts dester weniger ir gebürliche zeit sich
innen halten, auf das sie inen selbs und den kind-
lein nicht schaden zufügen an iren leibs gesundhei-
ten, weliches aber Gott nicht wolgefelt.
chenordnung außer Gebrauch kam oder ob sie viel-
leicht doch mit bisher noch unbekannten Formularen
heimlich weiterlebte, bedarf ebensosehr noch der
Klärung wie die Frage, auf welchem Wege es dazu
kam, daß sie in Bayern (erstmals im „Entwurf
einer Agende für die Evang.-Luth. Kirche in Bayern.
München 1852. 238ff.mit dem Hinweis, daß sie ver-
wendet werden könne, wo sie noch Brauch sei) wie-
der in Übung kam. Selbstverständlich hatte sie jetzt
wie einen neuen Inhalt so auch einen völlig neuen
Gesamtcharakter.

12 Sehling, Bd. XI, Franken

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