Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0200
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Brandenburg und Nürnberg gemeinsam

Und dise wort sollen wir auch vor augen haben
und für das recht haubtstück des abentmals des
Herren halten.
Die zusetze aber der menschen sein manicherlei
und nicht zu einer zeit angericht worden; dann sie
sein einstails von den alten heiligen vätern aus christ-
licher freiheit der gemain zur pesserung angericht,
als da sein die christlichen lection, gebet und lob-
gesang, die man darbei pflegt zu halten, daran sie
nicht allein nicht unrecht haben getan, sunder auch
die gemain Gottes darmit gepessert, wie Paulus in
der ersten zun Corinthiern am 14. [26] befolhen hat
und gesprochen: Wann ir zusammenkummet und hat
einer ein psalm, ein lere, ein offenbarung, ein aus-
legung etc., so laßts alles geschehen zur besserung.
Darumb sol man solche christenliche lection, gehet
und lobgesang nit abtun; dann Christus selbs mit
seinen jüngern bei dem abentmal lobgesang ge-
sprochen hat, Mathei am 26. [30].
Einstails aber sein von ungelerten und des glau-
bens unerfarnen leuten aus aignem fürwitz, ein kre-
merei daraus zu machen, hinzu gesetzt, auf das sie
mit erdichten worten, wie Petrus spricht, 2. Petri
2 [3], an der gemain handirten, als da ist: das man
ein opfer daraus hat gemacht für lebendig und toten,
die heiligen darbei angeruft, allerlei unchristliche
gesang und gebet, dem wort Gottes ungemeß und
entgegen, darein gemischt, und solicher mißbreuch
so unzelich vil, bis es zuletzt dahin ist kummen, das
des Herren abentmal, weliches allein umb der ge-
wissen willen, dieselbigen mit vergebung der sünde
zu trösten und christliche, brüderliche lieb anzurich-
ten, eingesetzt worden ist, hat zu allerlei hendeln
und gescheften müssen dienen. Dann man hat nicht
allein meß gelesen für fieber und allerlei krankheit,
sunder auch für armut, für gefar leibs und guts etc.1
Ja, man hat auch zauberei damit getrieben und ist
darzu mit in das erdichte fegfeuer kummen, die see-
len daraus zu erlösen, weliches alles große, greuliche
und sträfliche mißbreuch sein, umb welicher willen

1 In Gestalt der sog.Votivmessen (Eisenhofer 163).
2 Heute Offertorium und Kanon (vgl. S. 47 Anm. 14!).
3 Jungmann 1,43-57.
4 Dazu und zu den anderen Sonderformen: Braun
211f. — Eisenhofer 173-184. — Leiturgia 1,36.

on zweifel Gott der Herr die welt mit allerlei plagen
haimsucht und straft, wie er dann auch die Corin-
thier darumb, das sie mit dem heiligen abentmal un-
gebürlich umbgingen, mit krankheit und dem tod
strafet, 1. Corinth. 11 [30].
Auf das wir nun solicher straf empfliehen und
nicht als der knecht, der seines herrn willen weiß
und dannocht nicht tut, mit vil straichen geschlagen
werden, sollen sie soliche mißbreuch unterlassen und
abstellen, nemlich baide canones2, anrufen der hei-
ligen und allerlei gesang, lection oder gebet, so nit
aus der heiligen schrift genummen und derselben
nicht gemeß sein.
Dann das solichs opfern unrecht und unchristlich
sei, ist aus nachfolgenden ursachen gewißlich zu
schließen. Erstlich hat es Christus, unser Herr und
maister, nicht getan noch zu tun befolhen. Desglei-
chen haben es auch die heiligen apostel weder geton
noch zu tun befolhen, sunder in aller maß angericht,
wie sie es von Christo gesehen und gehört hetten,
wie man wol sicht in der ersten epistel Pauli zu den
Corinthiern am 11. capitel [23. 29].
So ist auch solichs opfern lang hernach erst in
brauch kummen, wie man im größern canon wol
sicht; dann die heiligen, so darin genennt werden,
sein alle oder ja der mainste tail vor gestorben, man
het sie sunst nicht hinein gesetzt. Uber das so haben
andere völker als die Kriechen solichen canon nicht3,
opfern auch den leib und das blut Christi nicht, sun-
der wann sie gleich eins opfers gedenken, so nennen
sie ir gebet ein opfer und nicht den leib und das blut
Christi. Ja, es hat auch die kirch zu Mailand4 ein
andern canon, der sich mit dem bäpstischen nicht
aller ding vergleicht. Daraus gewiß ist, das solicher
canon nicht von Christo noch von den aposteln, auch
nit von den rechten, alten, gelerten, heiligen vätern
herkumbt und ein unnötig ding ist. Er hette sunst
zu allen zeiten an einem ort wie am andern müssen
gehalten werden.
So ist er auch stracks wieder die heiligen schrift

- Jungmann 1,57ff. 126-137. 183. - Rietschel
255-286. - Luther konnte auf diesen Unterschied aus
persönlicher Erfahrung verweisen (WA Tisch-
reden 4,4760; 5,5360).

182
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften