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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0235
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III 4 b Kinderpredigten 1533

gegen den menschen sollen halten. Es betrifft auch
die fürnemhsten leut auf erden, nemlich vater und
muter und alle obrigkeit und leret uns, wie wir uns
gegen ihn halten sollen, nemlich: wir sollen sie ehren.
Nun ist es nicht so ein schlecht gepot, als die ein-
feltigen mainen, sonder betrifft hohe ding und gibt
große weisheit denen, die es recht verstehen. Dar-
umb meine liebe kindlein, merkt mit fleis darauf, das
ihrs recht verstehn lernet.
Und zum ersten bedenkt eben, das Gott der Herr
seine gepot darumb geben hat, das wir daraus sollen
lernen, was ihm wol gefal. Darumb ist gewiß, das
wir nichts ton können auf erden, das ihm bas gefal
dann, das wir seine gepot halten, und sein das tö-
richte leut, die unserm Herrn dienen wöllen mit wer-
ken, die er nicht hat gepoten; dann er spricht man
diene ihm vergeblich darmit [Matth. 15, 9]. Her-
widerumb ist gewis, das es ihm wolgefelt, wann wir
vater und muter ehren und ihnen gehorsam sein.
Darumb gefallen ihm auch alle unsere werk wol, die
uns vater und muter heißen, und wann es gleich wer,
nur ein stuben keren oder ein wasser holen. Das ist
nun ein großer und freudenreicher trost, das wir ge-
wiß sein, das solche schlechte werk Got gefallen
allein darumb, das wir vater und muter darin gehor-
sam sein. Dargegen gefallen ihm die werk nichts, die
man on sein bevelh tut, wann sie gleich ein gros an-
sehen haben und vor der welt hoch gelobt werden.
Das solt ihr kindlein mit allem fleis merken. Dann
der bevelh Gottis macht unsere werk gut und sonst
nichts.
Nun bevilhet und gepeut uns Gott, wir sollen
vater und muter ehren, das ist: wir söllen sie förch-
ten, ihn gehorsam sein, sie lieb halten und alles guts
erzeigen; dann solches alles vermag eigentlich das
wörtlein ehren. Und wir sein es schuldig zu tun, dar-
umb das sie Got der Herr uns gegeben und furgesetzt
hat, das sie unser herrn, pfleger und obrigkeit sein
sollen an seiner stat, und er tut uns durch sie die
allergrösten woltat, die wir nach den woltaten Christi
empfahen. Darumb sollen wir sie ehren und nicht
verachten noch verschmehen.
Wann wir aber sie nicht förchten und fragen nicht
darnach, wann sie gleich mit uns zürnen, so ver-
achten wir sie. Das ist aber ein große sund; dann
wir sollen sie nicht verachten, sonder ehren und ein

fleißig aufsehen haben, das wir sie nicht erzürnen
noch belaidigen.
Und wann wir ihn nicht gern gehorsam sein, so
verachten wir sie auch; dann wer vater und muter
nicht volget, der lest sich dunken, er sei weiser dann
sie. Das ist dann auch ein große verachtung und
sund. Darumb solt ihr kindlein vater und muter nicht
also verachten, sonder ehren und ihn williglich unter-
tenig und gehorsam sein.
Desgleichen, wann wir vater und muter nicht lieb
haben, so können wir sie nicht von herzen ehren.
Darumb wöllen wir vater und muter von herzen
ehren, so sollen wir sie auch von herzen lieb haben,
sonderlich darumb, das uns Got so viel guts durch
sie tut, wie wir bald hernach hören werden.
Wir sind auch schuldig, ihnen alles guts zu tun,
was wir nur können, vil ehrlicher dann andern leu-
ten. Dann wann wir andern leuten guts tun, so las-
sen wir uns bedunken, sie seien uns schuldig zu dan-
ken. Also sol man nit gegen den eltern tun, sonder
man sol sie mit der woltat ehren, das ist, man sol
sich eben halten, wie man sich sonst gegen großen
herrn helt, wann man ihn etwas zu gefallen tut oder
etwas schenket; dann daselbst gedenken wir nit, das
wir ein großen dank verdient haben, sonder demü-
tigen uns und bitten, sie wöllen für gut nemen; wir
wölten gern bessers tun, wann wil könten, und be-
gern, sie wollen uns ihn bevolhen lassen sein. Das
haist dann ein verehrung oder ehrerpietung. Also
sollen wir aller ding gegen unsern eltern auch tun.
Wo wir ihn nur etwas guts tun können, da sollen wir
sie damit verehren und bitten, daß sie für gut nemen;
dann wir können ihn nimmer mer so vil guts tun
das wir ihn möchten vergleichen und bezalen ihre
guttat, die sie uns geton haben.
Also, meine liebe kindlein, merkts mit fleis, das
das wörtlein ehren eben so vil ist als förchten und
gehorsam sein, liebhaben und alles guts tun und dan-
noch kein dank fodern, sonder ihn danken und bit-
ten, das sie für gut nemen.
Dann sie sein warlich unsere herrn, pfleger und
obrigkeit, von Got gesetzt, und wir sein ihn solchs
alles zu tun schuldig, und wann wirs nicht tun, so
zürnt Got mit uns aufs allerheftigst.
Darumb hat er auch im alen testament gepoten:
wann jemand ein aigenwilligen ungehorsamen sun

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